Immer zuverlässiger, immer beliebter: Intelligente Haustechnik setzt sich in Deutschland durch – auch deshalb, weil sie das Energiesparen erleichtert. Ein neuer Verbindungsstandard soll künftig die Geräte verschiedener Hersteller miteinander kompatibel machen.
Text: Christine Mattauch
Wie populär das schlaue Zuhause geworden ist, weiß niemand so gut wie die Fertighaushersteller. Heizungen, die abschalten, wenn niemand daheim ist, Lichtszenarien, die vor Einbrechern schützen: Das gehört heute ganz selbstverständlich zum Leistungskatalog, teilweise sogar zur Grundausstattung.
Die Technik sei „für Häuslebauer zunehmend wichtig“, sagt Klaus-Dieter Schwendemann, Marketingleiter bei Weber-Haus. Die Schwarzwälder Firma verkauft fast nur noch Häuser, die smart sind oder es leicht werden können. Über 95 Prozent der Baufamilien entschieden sich dafür, sagt Schwendemann.
Auch bei denen, die ihre Immobilien schon länger bewohnen, wächst das Interesse an intelligenter Haussteuerung. Laut einer Bitkom-Umfrage aus dem Jahr 2022 nutzen 43 Prozent der Deutschen entsprechende Anwendungen; 2019 waren es erst 31 Prozent. Sprunghaft gestiegen ist vor allem der Einsatz von Lösungen, die beim Energiesparen helfen. Pandemie und Inflation haben der schlauen Haustechnik zum Durchbruch verholfen. Dazu tragen auch staatliche Förderung und mehr Bedienkomfort bei.
Steuerung per Sprache wird selbstverständlich
Technisch hat sich einiges getan. Die Zahl der Anbieter ist ebenso gestiegen wie die Zuverlässigkeit vieler Geräte. „Niemand fragt mehr: ‚Funktioniert das denn?‘ Das wird vorausgesetzt“, sagt Günther Ohland, Vorsitzender der Smarthome-Initiative Deutschland. Zunehmend kommt selbst lernende Software zum Einsatz, ohne dass Hersteller viel Aufhebens darum machen: Heizungssteuerungen merken sich Tagesrhythmen, Saugroboter Grundrisse. Die Möglichkeit, Geräte außer per App auch per Sprachbefehl zu steuern, ist selbstverständlich geworden.
Smart und grün: Das ist die Formel, die auch viele Menschen überzeugt, die zuvor keinen Nutzen in der Technik sahen. Mit schlauen Thermostaten, Lüftungsmeldern, einem Zentralschalter fürs Licht, automatisierter Verdunkelung oder Displays zur Optimierung des Duschens lassen sich 5 bis 15 Prozent Energie sparen. Reduziert wird vor allem überflüssiger Verbrauch. Sparen da, wo es nicht wehtut.
Von „Komfort ohne Reue“ spricht der Energieexperte Viktor Grinewitschus (siehe Interview). Auch Stromerzeugung für den Eigenbedarf lässt sich ins System einbinden. „Mit der smarten Technik können sich Bewohner den Ertrag ihrer Photovoltaikanlage und die Verteilung des Solarstroms anzeigen lassen und nach Bedarf steuern“, erklärt Schwendemann. Das ist dann schon etwas für Fortgeschrittene.
Mehr Sicherheit und Spaß
Doch natürlich gibt es noch andere Gründe, sich smarte Features zuzulegen, etwa Sicherheit. Als Einbruchschutz beliebt ist eine Anwesenheitssimulation: Rollläden, die selbsttätig herauf- und herunterfahren; an- und ausgehende Lichter; selbst Musik kann abgespielt werden. Auch Vorsorge fürs Alter kann ein Thema sein, denn eine gute Smarthome-Infrastruktur lässt sich mit Assistenz- und Überwachungsfunktionen koppeln. Technikfreaks wiederum haben Spaß am Heimkinoabend mit automatisch gedimmtem Licht. „Da gibt es beliebig viele Ideen“, sagt Smarthome-Spezialist Ohland.
Und es gibt laufend Innovationen. Derzeit für den deutschen Markt in der Entwicklung: ein Kühlschrank mit Luftgütesensor, der Besitzer via Smartphone warnt, wenn Lebensmittel verrotten. Eine neue Backofenserie des Hausgeräteherstellers BSH setzt künstliche Intelligenz ein, damit das Gericht ideale Bräune erreicht. Überflüssig oder ein Muss? Das kann jeder selbst entscheiden. „Was der eine als Spielerei betrachtet, ist für den anderen ein Gewinn an Lebensqualität“, sagt Ohland.
Je mehr Menschen mit der Technik vertraut werden, desto schneller setzt sie sich durch. „Wer einmal smart gewohnt hat, will keinen Rückschritt machen“, erklärt Michael Krödel, der an der Technischen Hochschule Rosenheim das Institut für Gebäudetechnologie (IGT) leitet. Schon deshalb empfehlen Fachleute, Neubauten zumindest nachrüstbar zu machen, etwa durch Verteilerkästen und Stromanschlüsse. Krödel glaubt, dass energiesparende Gebäudeautomation eines Tages sogar zur Pflicht werden könnte.
Smarthome-Bedarf strategisch planen
Einsteiger sollten nicht irgendein Starterkit kaufen, auch wenn Preise unter 100 Euro locken, sondern ihren Bedarf strategisch planen. „Es geht um mehr als um eine Ansammlung kleiner Gadgets“, verdeutlicht Krödel. Die liegen, wenn der Neuheitseffekt verblasst, meist nur noch herum.
Was in der Praxis gut funktioniert, ist ein an individuelle Wünsche angepasstes Konzept aufeinander abgestimmter Geräte. Bei der Planung helfen Checklisten, online abzurufen etwa beim IGT oder bei Verbraucherportalen. Aber: Nach wie vor sind nicht alle Geräte unterschiedlicher Hersteller problemlos zu koordinieren.
Das soll sich mit dem Verbindungsstandard Matter ändern, dessen Einführung von über 300 Firmen unterstützt wird, darunter Marken wie Google, Bosch und Miele. Bis Matter so omnipräsent ist wie WLAN fürs Internet, werden aber noch Jahre vergehen. Weshalb es auch heute günstig sein kann, Anbieter zu wählen, deren Sortiment eine Vielzahl von Anwendungen umfasst. Zu deren Steuerung genügt eine einzige App.
Einer Glaubensfrage ähnelt die Entscheidung für eine Übertragungstechnik. Funkbasierte Systeme liegen über Putz und sind einfach zu installieren, dafür besitzt Kabel eine bessere Reichweite. Für Neubauten empfehlen viele Experten eine Mischung, für Altbauten eher Funk. Häufige Batteriewechsel sind durch energieautarke Technologien vermeidbar.
Mit der neuen Technik hat allerdings auch die Angst vor Cyberangriffen zugenommen. In der Praxis scheinen Hacker bislang aber lieber Firmencomputer zu kapern als Rasenmäherroboter oder smarte Lautsprecher. Viel können Verbraucher selbst tun, um das Risiko zu minimieren: Billiggeräte unbekannter Hersteller vermeiden, sichere Passwörter wählen und regelmäßig Updates installieren.
Hilfe vom Staat
Der Staat beteiligt sich mit bis zu 20 Prozent an den Kosten für smarte Steuerungs- und Regeltechnik. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) gilt etwa für elektronische Thermostate oder Sensoren zur Messung der Luftqualität. Auch die Verkabelung wird bezuschusst. Höchstgrenze der förderfähigen Kosten: 60.000 Euro.
Die KfW unterstützt unter anderem den altersgerechten Umbau von Immobilien mit günstigen Krediten von bis zu 50.000 Euro. Es gibt auch Geld für Smarthome-Technik, die der Sicherheit dient. Übrigens: Der Energieausweis erfasst auch den Automationsgrad der Immobilie. Ein Upgrade kann ihren Wert steigern.
„Eine ökologisch sinnvolle Technik“
Viktor Grinewitschus, Professor für Energiefragen der Immobilienwirtschaft, EBZ Business School Bochum, im Interview.
Mein Lübecker: Smart und grün, ein vielversprechender Trend?
Grinewitschus: Ja! Beim Energiesparen geht es darum, den Verbrauch dem Bedarf anzupassen, etwa keine Räume zu heizen, die nicht gebraucht werden. Bei der Steuerung hilft smarte Technik, ohne dass der Komfort eingeschränkt wird.
ML: Welche Geräte helfen besonders?
Grinewitschus: Programmierbare Thermostate. Jeder möchte morgens in ein warmes Bad, aber niemand steht nachts um drei Uhr auf, um die Heizung anzudrehen. Das heißt, ohne automatische Steuerung läuft sie die ganze Nacht. Ein anderes Thema: die Wohnungslüftung. Wer keine automatische Lüftungsanlage einbauen kann, sollte sich zumindest Luftqualität und Feuchte anzeigen lassen.
ML: Wie viel bringt smarte Beleuchtung?
Grinewitschus: Sie bringt etwas, aber die meisten Menschen überschätzen den Effekt. Viel wirkungsvoller ist es, den Warmwasserverbrauch zu reduzieren, etwa mithilfe digitaler Duschköpfe.
ML: Verbrauchen smarte Geräte nicht mehr Energie, als sie sparen?
Grinewitschus: In einer durchschnittlichen Mietwohnung mit 14.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch kann intelligente Technik rund 2000 Kilowattstunden einsparen. Der Betrieb der Geräte erreicht nicht annähernd diese Größenordnung, ihr Einsatz ist also ökologisch sinnvoll. Man kann natürlich alles von Hand regeln, aber das bedeutet Komfortverzicht.
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