Larissa Schmidt betreibt in der malerischen Esslinger Innenstadt die Secondhand-Boutique Villa Vintage. Zwischen historischen Holzbalken kann in dem liebevoll eingerichteten Laden die Kundschaft durch Kleiderstangen voller bunter Schätze stöbern.
Interview: Sarah Hörmann
S-Quin: Wie lange gibt es die Villa Vintage?
Larissa Schmidt: Ich habe mein Geschäft im Oktober 2023 eröffnet. Es ist aber nicht mein erster Laden. Während meines Studiums war ich in Elternzeit und habe die Zeit dafür genutzt, einen Secondhand-Laden für Kinderkleidung in Filderstadt aufzubauen. Dann wollte ich aber mein Studium beenden und Laden, Studium und Kinder gleichzeitig wäre zu viel gewesen. Deswegen habe ich das Geschäft an meine Mutter weitergegeben, die es auch heute noch führt. Ich hatte also schon Erfahrung gesammelt und im Hinterkopf weiterhin den Gedanken, später erneut einen Laden zu eröffnen. 2023 passte es dann.
S-Quin: Und wie kamen Sie auf Esslingen als Standort?
Schmidt: Esslingen ist ein kleines historisches Städtchen und in guter Fahrtzeit erreichbar – das passt. Den mittelalterlichen Charme der Altstadt wollte ich gerne auch in meinem Laden widerspiegeln und war überglücklich, als ich diese Räume fand. Das Haus ist 500 Jahre alt und sogar ein Kulturdenkmal. Der Name „Villa Vintage“ stand übrigens schon fest, bevor ich den Laden gefunden hatte. Aber als ich das erste Mal hier war, dachte ich direkt: „Ja, das passt perfekt“.
S-Quin: Woher kommt Ihr Interesse an Secondhand-Mode?
Schmidt: Das stammt aus meiner Schulzeit. In der Nähe meiner Schule in Stuttgart gab es einen Secondhand-Laden. Da bin ich einfach mal reingegangen und war begeistert. Ich liebe das Stöbern und Einkaufen in Ruhe! Herkömmliche Bekleidungsgeschäfte sind nichts für mich, ich mag den Geruch nach Chemie nicht und finde das Einkaufen dort sehr stressig. Seit 20 Jahren kaufe ich jetzt insgesamt Secondhand, auch für meine Kinder.

S-Quin: Sie verkaufen Kleidung auf Kommission. Wie funktioniert das System?
Schmidt: Leute, die etwas über meinen Laden verkaufen möchten, machen einen Termin aus. Sie müssen allerdings zuhause ein bisschen vorsortieren, denn Fast Fashion nehmen wir nicht an. Wir setzen auf Markenprodukte in gutem Zustand, nicht zu abgetragen oder verwaschen. Vor Ort schaue ich die Teile im Detail an und entscheide, was in den Verkauf kommt. Diese Teile bleiben dann zwei Monate im Laden. Von den verkauften Produkten erhalten die ehemaligen Besitzer 40 Prozent, die nicht verkauften Teile können sie abholen oder ich spende sie an gemeinnützige Organisationen.
S-Quin: Und wie behalten Sie den Überblick?
Schmidt: Die Waren erfasse ich mit einer speziellen Software. So behalte ich den Überblick, erstelle Etiketten und kann auch checken, welche Größen ich zum Beispiel momentan im Laden habe. Natürlich ist es trotzdem ein gewisser Verwaltungsaufwand. Ich nehme jedes Teil in die Hand beim Vorsortieren, pflege es ins System ein, befestige die Etiketten, hänge es ins Regal – und dann wird es vielleicht wieder aussortiert.
S-Quin: Wer sind Ihre Kunden?
Schmidt: Das ist komplett gemischt – von Jugendlichen bis zu Damen über 80. Dementsprechend breit ist auch das Sortiment; ich versuche, für verschiedene Geschmäcker etwas auf der Stange zu haben. Es gibt Kundinnen, die modischere Teile suchen, die nicht älter als zwei Jahre sind, aber auch Vintage-Liebhaberinnen. Ich freue mich deshalb immer besonders, wenn neue Teile kommen, die 30 Jahre oder noch älter sind.
S-Quin: Hat sich das Interesse an Secondhand-Kleidung verändert, seit Sie ihr erstes Geschäft eröffnet haben?
Schmidt: Auf jeden Fall. Die Offenheit für Secondhand-Kleidung hat zugenommen. Vor zehn Jahren hat der Gedanke an Kleidung, die bereits jemand anderes getragen hat, viele abgeschreckt. Ich hatte erst vor kurzem eine Kundin, die zum ersten Mal in einem Secondhand-Shop war – sie war sehr überrascht, wie schön es hier ist. Denn gerade die Stimmung im Laden hat sie zu uns reingezogen. Sie hat dann auch ein schönes Kleid gefunden. So etwas zeigt einfach, dass die Leute offener werden und gebrauchte Kleidung als Option bisher vielleicht auch gar nicht auf dem Schirm hatten!
S-Quin: Aus welchen Motiven kauft Ihre Kundschaft Secondhand ein?
Schmidt: Die Gründe haben sich in den letzten zehn Jahren nicht verändert. Das ist zum einen die Nachhaltigkeit. Es gibt schon so viele Kleidungsstücke auf der Welt, die in gutem Zustand sind – die kann man noch gut tragen! Dann ist da das Sparen. Der Preis der Teile liegt um mindestens 50 Prozent unter dem Originalpreis – meistens sogar nur bei einem Drittel. Ich checke oft den Neupreis eines Teils, bevor ich den Wiederverkaufspreis festlege, schließlich möchte ich fair sein.
S-Quin: Was gefällt Ihnen am besten daran, den Laden zu führen?
Schmidt: Die Interaktion mit den Kunden! Das ist für mich das Schönste am Job. Ich mag es aber auch, die schöne Kleidung in einer Lieferung auszupacken und neue Teile zu entdecken. Weniger Spaß macht der Papierkram – aber der gehört eben dazu.

S-Quin: Wie oft kommen Sie in Versuchung, etwas Schönes in den eigenen Schrank zu hängen?
Schmidt: Natürlich komme ich manchmal in Versuchung und besitze auch einige Kleidungsstücke hier aus dem Laden, aber es hält sich im Rahmen. Ich bin mittlerweile sehr gut im Aussortieren und überlege genau, ob ich ein Teil wirklich tragen werde.
S-Quin: Haben Sie Tipps für Secondhand-Neulinge?
Schmidt: Mein Tipp ist immer, genug Zeit mitzubringen – zehn Minuten reichen nicht. Jedes Teil hängt nur einmal da. Außerdem: nicht zu sehr auf die Größe achten. Ich habe selbst Stücke von XS bis L im Schrank. Die Schnitte fallen oft sehr unterschiedlich aus – man sollte daher einfach stöbern und anprobieren.
S-Quin: Suchen die Kundinnen auch Kleidung für besondere Anlässe?
Schmidt: Ja, erst gestern hatte ich zwei Kundinnen, die schöne Kleider für Hochzeiten gesucht haben. Das passiert insbesondere im Sommer. Oft werden sie dann hier fündig – gestern war es zum Beispiel so, beide haben tolle Kleider für den Anlass gefunden.
S-Quin: Wird die Nachfrage nach Secondhand künftig weiter zunehmen?
Schmidt: Ich denke schon. Secondhand wird immer alltäglicher, besonders bei Jüngeren ist die Nachfrage stark gestiegen. Auch ältere Generationen werden dafür offener. Ich hoffe, dass die Nachfrage nach Fast Fashion abnehmen wird, aber das beobachte ich bisher kaum – viele Marken bringen wöchentlich neue Kollektionen heraus, die jedoch von schlechter Qualität sind.
S-Quin: Sie kaufen ja Kleidung an. Wie sehen Sie die Bereitschaft zum Verkauf getragener Kleidung?
Schmidt: Auch hier steigt das Bewusstsein dafür, dass Kleidung, die man selbst nicht mehr trägt, nicht direkt in den Müll oder in die Altkleidersammlung muss. Immer mehr Leute denken daran, dass es andere Personen gibt, die diese Kleidung gerne noch tragen und sich daran freuen. Dieses Kreislaufdenken rückt immer mehr in den Vordergrund.

S-Quin: Sie sind auch im Internet präsent. Wie kommt das an?
Schmidt: Sehr gut. Ich poste regelmäßige Storys auf Instagram und Facebook, um zu zeigen, was neu in meinen Laden hineingekommen ist. Die Reaktionen sind durchweg positiv. Viele Kundinnen kommen zum Beispiel in den Laden, weil sie mich über Social Media gefunden haben oder einfach durch die Online-Recherche auf Villa Vintage gestoßen sind. Oft erhalte ich Nachrichten, ob ich ein bestimmtes Teil reservieren kann, welche Größe es hat und was es kostet.
S-Quin: Secondhand-Shops und -Plattformen im Internet boomen gerade. Können Sie sich vorstellen, zusätzlich online zu verkaufen?
Schmidt: Ich denke tatsächlich darüber nach. Viele meiner Follower kommen aus der Region, aber manche auch von weiter weg. Da wäre der Onlineverkauf ein passender Schritt. Organisatorisch wäre das aber ein großer Aufwand. Auch um rechtliche Fragen – Stichwort Retourenmanagement – müsste ich mich dann kümmern. Deshalb habe ich noch nichts konkret geplant.
Villa Vintage im Internet:
- Webseite: www.villa-vintage.com
- Instagram: www.instagram.com/die.villa.vintage
- Facebook: Villa Vintage