Klimafreundlich bauen – mit gutem Gewissen

Wer staatliche Förderung für ein neues Haus erhalten möchte, muss dafür eine Vielzahl von Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Nur dann vergibt die KfW-Förderbank zinsgünstige Baukredite. Am meisten Fördergeld gibt es für Neubauten mit Qualitätssiegel.

Text: Stefanie Hutschenreuter

Auf den ersten Blick sieht das kompakte Schwörer-Musterhaus im Ulmer Hausbaucenter wie ein normales Einfamilienhaus aus. Seine inneren Werte machen es jedoch zu etwas Besonderem: Es ist eines der ersten Einfamilienhäuser in Deutschland, das nach Kriterien gebaut wurde, die denen des staatlichen Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG) entsprechen. Häuser, die auf der Basis dieses Ausstellungshauses erstellt werden, bringen die Voraussetzungen für eine KfW-Förderung für klimafreundliche Neubauten mit.

Für die meisten Bauherrn ist diese Finanzspritze vom Staat auch die Motivation, nachhaltig zu bauen. Das sieht auch Florian Schmid, Vertriebsleiter von Schwörer Haus, so. „Fast alle Kunden möchten die Förderung erhalten. Für viele passt sie auch sehr gut, wenn von Beginn an die Planung auf die Förderkriterien abgestimmt wird. Nicht für jedes Gebäude lohnt sich die Förderung jedoch“, sagt er.

Ein förderfähiges Haus darf nur sehr wenig Energie verbrauchen und nicht mit Öl, Gas oder Biomasse beheizt werden. Darüber hinaus muss es Anforderungen in puncto Nachhaltigkeit erfüllen, wie sie zum Erreichen des QNG-Zertifikats notwendig sind. Dazu wird bereits in der frühen Planungsphase eine Lebenszyklusanalyse des Gebäudes durchgeführt. „Da wird nicht nur der Energieverbrauch betrachtet, sondern auch die eingesetzten Baustoffe und die generierte, bebaute Fläche, die nachher als Nutzung zur Verfügung steht“, erläutert Schmid.

Unter anderem spielen der CO2-Fußabdruck des Gebäudes im Lebenszyklus, die Flächeninanspruchnahme, die Recyclingfähigkeit bei einem Rückbau, der Einbau gesunder, schadstofffreier Materialien, der Trinkwasserbedarf während der Nutzung oder der Grad der Barrierefreiheit eine Rolle.

KfW-Kredite mit günstigen Zinsen

Zur Förderung klimafreundlicher Neubauten kommen aktuell drei KfW-Programme infrage. Bei jedem gibt es zinsvergünstigte Kredite. Das Programm „Klimafreundlicher Neubau – Wohngebäude“ (KFN) steht allen Interessenten offen. Neben den genannten Nachhaltigkeitskriterien ist die Effizienzhausstufe 40 Fördervoraussetzung. Eine Darlehenssumme von bis zu 100.000 Euro ist dann möglich. Für besonders nachhaltige Gebäude mit QNG-Zertifikat steigt die Kreditsumme auf bis zu 150.000 Euro.

Über das Programm „Wohneigentum für Familien“ sind bei gleichen Gebäudeparametern noch höhere Kreditsummen von bis zu 270.000 Euro möglich. Allerdings können diese Förderkredite nur Familien mit Kindern und Alleinerziehende mit geringem bis mittlerem Einkommen beantragen. Das zu versteuernde Haushaltseinkommen darf bei einem Kind maximal 90.000 Euro im Jahr betragen. Für jedes weitere Kind erhöht es sich um 10.000 Euro. Auch hier steigt der mögliche Kreditrahmen, wenn der Neubau QNG-zertifiziert ist (siehe Tabelle).

Seit dem 1. Oktober 2024 hat die KfW zudem das Programm „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment – Wohngebäude“ (KNN) im Portfolio. Damit sollen speziell klimafreundliche, flächeneffiziente Neubauten gefördert werden. Das KNN-Programm sieht Förderkredite bis zu einer Höhe von 100.000 Euro bereits für Neubauten mit Effizienzhaus-55-Standard vor, wenn Grenzen bei der Wohnfläche und den Baukosten eingehalten werden.

„Das Förderprogramm ist für Mehrfamilienhäuser konzipiert und macht für die einzelnen Wohnungen strenge Vorgaben zur maximalen Wohnfläche und Mindestzahl von Räumen“, erläutert Florian Schmid. Außerdem muss die CO2-Einsparung über den Lebenszyklus mindestens dem eines Effizienzhauses 40 entsprechen. Eine höhere Förderung für Häuser mit QNG-Zertifikat gibt es hierüber nicht.

Investition in die Zukunft

„Damit kleinere Wohnhäuser förderfähig werden, braucht es fast immer eine große Fotovoltaikanlage oder einen Keller“, sagt Experte Schmid. Zudem muss in der Regel stärker gedämmt und ein Energieeffizienzexperte eingebunden werden. Laut Schmid können so für die Förderfähigkeit Mehrkosten von 10.000 bis 60.000 Euro zusammenkommen – je nachdem, wo gebaut wird.

Denn während die eine Baufamilie einen Keller oder eine große Solarstromanlage nicht eingeplant hat, muss eine andere wegen der Hanglage sowieso mit Keller bauen oder aufgrund der in ihrem Bundesland vorgeschriebenen Fotovoltaikanlage eine solche auch installieren. Für Letztere sei es dann „nur noch ein kleiner Schritt bis zur Förderung“, so Schmid, während die andere Familie richtig Geld in die Hand nehmen müsse.

Für die meisten KfW-Programme gilt: Wer ein höheres Darlehen möchte, muss das Haus besonders nachhaltig bauen und zertifizieren lassen. Beides gibt es nicht umsonst. Für die Zertifizierung muss ein von einer Zertifizierungsstelle speziell ausgebildeter Nachhaltigkeitsberater, auch Auditor genannt, bereits früh in der Planung parallel zum Energieeffizienzexperten engagiert werden. Der Auditor legt die Nachhaltigkeitsziele fest und überprüft sie während der Bauzeit bis zur Schlüsselübergabe.

Nur sehr nachhaltige und energiesparende Häuser können die neuen KfW-Mittel erhalten.

Ist alles erfüllt, erhält das Haus das QNG-Zertifikat. „Beim klassischen Einfamilienhaus liegen die Kosten für die Nachhaltigkeitsberatung zwischen 4000 und 10.000 Euro. Die konkrete Zertifizierung eines Einfamilienhauses kostet bei uns 595 Euro“, sagt Natalie Eßig, Professorin an der Architekturfakultät der Hochschule in München und Institutsgründerin der Zertifizierungsstelle Bau-Institut für Ressourceneffizienz und Nachhaltiges Bauen (Birn).

Neben dem Birn agieren noch weitere akkreditierte Siegelgeber am Markt, etwa die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder Nachhaltigkeit im Wohnungsbau (Nawoh). Günstiger kann es werden, wenn der Architekt gleichzeitig Energie- und Nachhaltigkeitsberater ist. Auch die Fertighaushersteller können die Zertifizierung manchmal preiswerter anbieten, wenn ihre Baureihen bereits vorzertifiziert sind und sie eigene Auditoren beschäftigen.

Für wen lohnt sich die Förderung?

„Der Mehraufwand lohnt sich, wenn der KfW-Kredit etwa 1 Prozent günstiger ist als der Hausbankkredit, was derzeit der Fall ist“, so Florian Schmid. Meist ließen sich dann etwa 30.000 Euro sparen. Nicht vergessen sollte man allerdings, dass für die Erhöhung des Kredits mehr Zinsen anfallen. Schmid empfiehlt daher, von folgender Faustformel auszugehen: „Wenn das Herstellen eines QNG-zertifizierungsfähigen Effizienzhauses 40 mehr als 20.000 bis 25.000 Euro extra kostet, lohnt sich die Förderung nicht.“

Natalie Eßig betont indes, dass man nicht nur Baukosten und Förderung betrachten sollte. Nachhaltiges Bauen sei in Bezug auf den Klimawandel ein Muss und nicht teurer, als regulär zu bauen, wenn man den gesamten Lebenszyklus ins Auge fasse. „Da sieht man schnell, dass ein nachhaltig gebautes Haus nach 10 bis 15 Jahren günstiger ist, weil ich Energiekosten spare und durch langlebigere Baumaterialien niedrigere Instandhaltungskosten habe. Zudem wohne ich in einem Haus mit gesunden Materialien“, so Eßig.

 

Das sollten Sie wissen

  • Geeignete Fachleute suchen: Nachhaltigkeitsberater und Energieberater findet man online in der Energieeffizienzexperten-Liste des Bunds. Auditoren sind zudem bei den Zertifizierungsstellen gelistet, etwa bei www.bau-irn.com oder www.dgnb.de.
  • Nachhaltige Baustoffe erkennen: Ob es sich um nachhaltige, schadstofffreie Bauprodukte handelt, lässt sich an Gütesiegeln erkennen, beispielsweise am Blauen Engel, vergeben vom Umweltbundesamt, oder dem Siegel des Eco-Instituts.

 

„QNG-Zertifizierung ist Qualitätssicherung“

Natalie Eßig

Im Gespräch mit Professorin Natalie Eßig, Institutsgründerin der Zertifizierungsstelle Birn, die das BNK-(QNG-)Gütesiegel vergibt.

Mein Lübecker: Das Gütesiegel QNG hilft, Fördermittel zu erhalten. Gibt es weitere Vorteile?
Natalie Eßig: Aber sicher. Der wichtigste Vorteil einer QNG-Zertifizierung ist die Qualitätssicherung. Weil der Hausbau über den gesamten Entstehungsprozess begleitet wird, erhält der Bauherr am Ende ein qualitativ hochwertiges, nachhaltiges, gesundes und zukunftsfähiges Haus. So ist zum Beispiel gewährleistet, dass Baustoffe vermieden werden, die gesundheitsschädigend sind oder die Umwelt beeinträchtigen. Ein weiterer Vorteil: Die Bauherrn erhalten eine Hausakte.

ML: Inwiefern ist das ein Vorteil?
Eßig: In der Hausakte ist alles vermerkt: die Pläne, welche Heizung und Materialien verbaut sind, wo Leitungen liegen und vieles mehr. Bei einem späteren Verkauf des Hauses trägt diese lückenlose Dokumentation zur Wertsteigerung bei.

ML: Wie viele Wohnhäuser zertifizieren Sie durchschnittlich in Ihrem Institut?
Eßig: Aktuell vergeben wir 10 bis 15 Zertifikate pro Woche, haben aber rund 5200 Anmeldungen von Wohngebäuden. Da zwischen Anmeldung und Zertifikatsvergabe, wenn das Gebäude zum ersten Mal bewohnt wird, in der Regel zwei Jahre vergehen, werden wir 2025 vermutlich 300 bis 400 Zertifikate pro Monat vergeben dürfen.

ML: Zertifizieren Sie nur Neubauten oder auch sanierte Häuser?
Eßig: Wir planen, ab 2025 auch Komplettsanierungen zu zertifizieren. Schließlich wird es den klassischen Neubau in Zukunft immer weniger geben, dafür aber Ersatzbauten, Anbauten und Aufstockungen. Einen Altbau zu sanieren, ist ohnehin nachhaltiger, als neu zu bauen.

Fotos Adobe Stock, BMU/Sascha Hilgers, iStockphoto

 

 

 

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