Gute Fahrräder für alle Fälle

Der Fahrradmarkt wird feingliedriger. Ungeachtet der Frage, ob E-Bike oder nicht, stellen wir Ihnen verschiedene Trendgattungen vor, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt haben.

Text: Wolfgang Hörner

Wohin soll das noch führen? Die Fahrradbranche boomt und boomt. Es gibt nicht nur immer mehr Fahrräder auf deutschen Straßen, Radwegen und Wildpfaden, sondern es gibt vor allem mehr unterschiedliche Fahrradtypen. Die Industrie findet ständig neue Nischen. Manches davon – etwa Single-Speed-Bikes ohne Gangschaltung – wirken etwas spleenig und sind sicher nicht jedermanns Sache, während manches Segment inzwischen so groß wird, dass man längst nicht mehr von einer Nische sprechen kann. Damit wird jedoch Platz geschaffen, um noch speziellere Fahrräder zu entwickeln und quasi die Nische in der Nische zu bedienen.

Auch etablierte Hersteller wie Kettler reagieren auf die Trends und bringen immer neue Räder heraus – wie etwa dieses Cargobike. Auch wenn E-Bikes weiter im Trend liegen – die klassischen Räder mit natürlicher und stromfreier Fortbewegung haben nichts von ihrem Reiz verloren – und sind deutlich günstiger.

So toll sich diese Diversifizierung im ersten Moment anhört, so sehr bringt sie auch einen beträchtlichen Nachteil mit sich: Wer nicht unbedingt jede Zweiradmesse besucht, beim Fahrradhändler ein- und ausgeht oder die Fachmagazine verschlingt, verliert sehr schnell den Überblick. Das zeigt sich spätestens dann, wenn ein neues Fahrrad zum Kauf ansteht. Welches soll man dann nehmen? Ein klassisches Modell, wie man es schon kennt, oder vielleicht doch eine andere Variante, die einem besser liegen würde?

Gutes Rad ist teuer

Doch selbst wer sich nur ein bisschen in die Materie einarbeitet, wird erst einmal mit einem anderen Trend konfrontiert: Die durchschnittlichen Preise für Fahrräder sind in weniger als zehn Jahren um mehr als 50 Prozent geklettert. Auch wenn die Branche seit dem vergangenen Jahr einen leichten Preisrückgang hinnehmen muss: Das Niveau ist immer noch hoch – eine Folge aus hoher Nachfrage und den gestiegenen Rohstoffpreisen. Umso gründlicher sollte man sich vor dem Kauf umschauen, welcher Biketyp der richtige für die eigenen Ansprüche ist.

Ich bin dann mal weg. Noch recht jung sind Reisefahrräder wie das Koga Worldtraveller. Sie sind robust und haben einen stabilen Rahmen für hohe Zuladung.

Eine Sparte, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind die sogenannten Reiseräder, eine Weiterentwicklung des Trekkingbikes, denn Fahrradreisen finden immer mehr Freunde. Der Urlaub beginnt dabei schon an der eigenen Haustür, die Bikes werden also nicht erst per Auto an einen Zielort transportiert. Daraus resultieren auch die Besonderheiten dieser Fahrradgattung: Alles ist eine Spur robuster und wartungsärmer ausgelegt, um unterwegs das Risiko von Pannen zu minimieren.

Vor allem geht es bei Reiserädern aber um ein Plus an Zuladung, denn wer sein Gepäck für ein, zwei Wochen Urlaub auf dem Rad mitschleppen muss, sprengt schnell die Ladekapazitäten der Bikes, sowohl bei den Verstaumöglichkeiten als auch beim Gewicht. Das Koga Worldtraveller für rund 2800 Euro hat beispielsweise eine maximale Zuladung von 180 Kilo. Zieht man das Gewicht des Fahrers ab, bleibt ordentlich Luft fürs Gepäck. Die Fahrräder von Tout Terrain bieten ähnliche Werte.

Edle Materialien im Fokus

Fahrräder aus gewöhnlichem Stahl gibt es schon lange nicht mehr. Doch auch der Siegeszug von leichtem Aluminium hat ein Ende gefunden, denn wer auf Performance Wert legt und sein Fahrrad gar als Sportgerät betrachtet, hat inzwischen einen neuen Materialfavoriten gefunden: Carbon. Es ist noch leichter, noch verwindungssteifer, aber auch noch teurer.

Bis vor Kurzem waren gute Bikes aus Carbon kaum unter 5000 Euro zu haben. Doch zumindest in diesem Bereich fallen die Preise. Selbst Hersteller von Markenrädern haben bereits Bikes ab rund 1500 Euro in ihrem Programm, und auch ordentliche Carbon-Rennräder gibt es schon teilweise für weniger als 2000 Euro im Handel zu kaufen.

Bambus schluckt die Vibrationen

Bei aller Euphorie sollten Käufer aber nicht vergessen, dass das Material des Rahmens nicht alles ist, und auch die Qualität von Schaltung und Bremsen kritisch hinterfragen. Doch manchmal geht es bei der Wahl des Materials gar nicht um Gewichtseinsparung, sondern um Individualität oder Nachhaltigkeit. So beispielsweise bei den Bikes der Kieler Manufaktur My Boo. Dort wird nachhaltig gewonnener Bambus als Rahmenmaterial verwendet.

Das gibt den Fahrrädern nicht nur eine sehr persönliche Note, sondern macht das Fahren auch komfortabler. Die Struktur des Bambus sorgt dafür, dass Schwingungen und Vibrationen geschluckt werden. Richtige Schnäppchen sind die Bambusräder aber nicht: Das neue Citybike von My Boo kostet immerhin 2000 Euro, als E-Bike doppelt so viel.

Ideal für Bus und Bahn. Falträder, hier das Brompton-Klapprad, passen auch in jeden Kofferraum und können zudem im Büro parken.

Ältere Semester werden sich vielleicht erinnern, dass Klappräder in den 1970er-Jahren schon einmal modern waren. Sie haben überlebt, erfreuen sich wieder wachsender Beliebtheit und heißen inzwischen Falträder. Die Grundidee, das kompakte Zusammenlegen, ist zwar die gleiche wie einst, die Anwendungsfälle sind aber anders. Hauptnutzer sind Menschen im großstädtischen Lebensraum.

Die Falträder sind so kompakt, dass man sie selbst im Kofferraum eines Kleinwagens verstauen kann, um am Wochenende eine Runde durch ein Erholungsgebiet zu drehen – spezielle Fahrradträger auf dem Auto sind also überflüssig. Wo die Raumverhältnisse beengt sind und keine ausreichende Infrastruktur für Fahrräder geboten wird, sind Falträder ebenfalls beliebt. Sie lassen sich im Zweifelsfall auch platzsparend in der Wohnung oder im Büro verstauen. Wie viele Menschen das Konzept anspricht, zeigen die Bikes von Brompton aus London. Eine Million Falträder haben die Briten inzwischen produziert – Grund genug, um mit neuen Farben und Ausstattungen aufzuwarten.

Lust auf Lastenräder: Boom der Cargobikes

Ebenfalls aus dem städtischen Umfeld kommt ein anderer Fahrradtrend – einer, der binnen 15 Jahren das Nutzungsverhalten von jüngeren Familien erheblich verändert hat: Lastenfahrräder, auch Cargobikes genannt. War diese Gattung vor zwei Jahrzehnten bestenfalls in Städten wie Berlin und Hamburg anzutreffen, hat sie ihren Siegeszug überall angetreten und schon lange bürgerliche Kreise erreicht.

Zeitenwende. Vor zehn Jahren waren Lastenräder noch selten. Inzwischen bieten auch neue Firmen wie CaGo (hier: CaGo FS200) ihre Produkte an.

Das zeigt sich auch am immer größer werdenden Angebot. Etablierte und neue Fahrradhersteller haben das lukrative Segment für sich entdeckt, etwa in Gestalt des elektrischen FS200 des Koblenzer Herstellers CaGo Bike. Mit einem Preis ab 7790 Euro liegt es im oberen Mittelfeld des Segments. Treiber Nummer eins für die Lastenfahrräder ist die Energiewende. Urbane Logistikdienstleistungen werden mit ihnen genauso abgewickelt wie Familienausflüge. Das bekommen auch die Hersteller von Fahrradanhängern zu spüren, deren Kundschaft sich zunehmend für die zugegebenermaßen teureren Cargobikes entscheidet. Zentraler Vorteil ist dabei, dass der Elternteil während der Fahrt die Kinder stets im Blick hat.

Für ganz viel Schotter: die jungen Gravelbikes

Noch keine zehn Jahre alt ist das Segment der Gravelbikes. Die „Schotterräder“ sind definitiv für unbefestigte Pfade geschaffen, aber nicht so radikal gedacht und gemacht wie Mountainbikes. Während Letztere problemlos Sprünge und Kletterpassagen absolvieren können, sind Gravelbikes ganz für Schotter, Kies und Sand optimiert. Dabei geht es durchaus auch um schnelles Fahren auf dem losen Untergrund, weshalb die Gravelbikes auch verwandt sind mit den Cyclocross-Bikes, wie sie bei Wettbewerben eingesetzt werden. Typische Kennzeichen ihrer Konstruktion sind die breiteren Offroadreifen und die häufig fehlende, aber nachrüstbare Straßenverkehrszulassung.

Rennrad trifft Mountainbike. Gravelbikes – links das Focus Atlas – ermöglichen schnelles Fahren auf losem Untergrund, sind allerdings weniger fürs Springen über Hindernisse gemacht.

Anders als Mountainbikes haben Gravelbikes nur ein leicht abfallendes Oberrohr. Für viele Käufer ist die Gattung deshalb so interessant, weil sie in ihrer Freizeit eher auf Spazier-, Feld- und ausgebauten Wald­wegen unterwegs sind und nicht im wirklichen Gelände. Dazu bieten Gravelbikes wie das neue Focus Atlas auch solide Straßeneigenschaften.

Angesichts der immer feiner werdenden Abstufungen fühlen sich viele Käufer verunsichert – vor allem, wenn sie „einfach nur ein Fahrrad“ haben wollen. Doch auch hier gibt es gute Nachrichten: Universalräder gibt es ebenfalls, allen voran die Trekkingbikes, die von allem etwas können. Selbst hier findet sich Hightech: Mit Scheibenbremsen, Riemenantrieb und Achtgangschaltung ist zum Beispiel das Pegasus Strong SL 8 Belt für 1500 Euro ein exzellenter Allrounder.

 

Der Trend geht zum Zweitrad

Statt eines schlechten Kompromisses für ein teures Bike bieten sich auch zwei Modelle an.

Morgens täglich zum Bahnhof und abends zurück? Und wochenends die sportliche Mountainbike-Tour? Wer solche Vorstellungen hat, sollte sich überlegen, ob es für die Pendelei zur Arbeit nicht auch ein günstiges Rad tut und dafür der „Weekender“ etwas teurer ausfallen darf. So umgeht man unter der Woche Sorgen vor Vandalismus und Diebstahl, während es zum sportlichen Sonntagsausflug mit einem besseren, für den Einsatzzweck geeigneteren Bike geht.

Fotos: PR

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