Erben und Vererben ohne Stress

Reden ist Gold – vor allem, wenn es darum geht, sein Erbe zu regeln. Je komplexer die Familienverhältnisse, desto wichtiger ist es, sich Gedanken zu machen und Rat zu suchen.

Text: Johanne Gottfried

Dass sie ein Wertpapierdepot über 20.000 Euro von ihrer Tante erben würde, hatte Barbara B. (Name der Redaktion bekannt) nicht erwartet. Nicht auf der Rechnung hatte sie auch die schlechte Laune ihres Cousins, der fest davon ausgegangen war, dass er das Depot erben werde. Immerhin erhielt Barbara B. die Wertpapiere steuerfrei, da ihre Tante die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer im Blick gehabt hatte.

Machen Sie sich früh Gedanken ums Thema Vererben. Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen und lassen Sie sich beraten.

Böses Blut ums Erbe kommt in den besten Familien vor, und zwar gar nicht so selten. Mehr als ein Viertel aller Rechtsfälle im privaten Bereich seien laut einer Studie Erbstreitigkeiten, informiert die bayerische Staatsregierung. Kein Wunder, werden doch jedes Jahr hierzulande große Vermögenswerte vererbt. Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge hat jeder zehnte Erwachsene in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren bereits geerbt oder eine größere Schenkung erhalten. Die durchschnittliche Höhe dieser Erbschaften belief sich dabei auf etwas mehr als 85.000 Euro pro Person, die der Schenkungen auf 89.000 Euro. Es geht also um viel Geld.

In den kommenden Jahren dürfte das Konfliktpotenzial eher noch größer werden. Schließlich gibt es immer mehr Patchworkfamilien oder Paare ohne Trauschein. „Und je komplizierter die Familienverhältnisse, desto schwieriger ist es erfahrungsgemäß, alle Erben unter einen Hut zu bekommen“, sagt Rolf Tilmes, Vorstandsvorsitzender des Financial Planning Standards Board Deutschland. Außerdem werden immer mehr Immobilien vererbt, die infolge der vielerorts stark gestiegenen Immobilienpreise deutlich wertvoller geworden sind.

Problemfall Testament

Doch obwohl es um viel Geld geht, ist die Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen, nicht sehr ausgeprägt. „Klar denkt niemand gern über die Folgen seines Todes nach, aber das wäre sehr vernünftig“, sagt Martin Thelen, Sprecher der Bundesnotarkammer. Hauptursache für Streit, so Rolf Tilmes: „Viele Vermögensinhaber haben kein Testament, und falls doch, ist es häufig unwirksam oder falsch gestaltet.“

Wer sein Erbe regeln möchte, ist gut beraten, erst einmal das gesetzliche Erbrecht und die Erbfolge zu kennen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) schreibt vor, wer Erbe wird, wenn der Erblasser nichts regelt. Es folgt prinzipiell dem gesunden Menschenverstand: Zuallererst erben der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner und die eigenen Nachkommen. Wie viel der Ehepartner erbt, hängt zum einen vom Güterstand ab, aber auch davon, welche und wie viele andere Erben es noch gibt. Nichtverheiratete Partner gehen in der gesetzlichen Erbfolge leer aus. Und auch Erbfolgen in Patchworkkonstellationen sind im BGB nicht vorgesehen.

Ist nichts geregelt, kann es bei komplizierteren Familienverhältnissen vorkommen, dass jemand erbt, der gar nicht erben soll, ein anderer dagegen unbeabsichtigt leer ausgeht. Gerade in Patchworkfamilien ist es unbedingt ratsam, frühzeitig eine maßgeschneiderte Lösung zu erarbeiten. Es empfiehlt sich, den Rat eines Fachanwalts oder Notars einzuholen.

In vielen Fällen lohnt sich der Weg zum Notar. Er hilft beim rechtssicheren Verfassen eines Testaments. Foto: Adobe Stock

Erbengemeinschaften haben es oft schwer

Wenn jemand stirbt, aber zu seinen Lebzeiten keine gesonderte Erbregelung getroffen hat, entsteht in vielen Fällen eine Erbengemeinschaft. Auch in Bilderbuchfamilien kann das zu Streit führen. „Die Erben müssen den Nachlass unter sich aufteilen, da wird ihnen ganz schon viel aufgebürdet“, sagt Martin Thelen von der Bundesnotarkammer, denn die Erben dürften nur gemeinschaftlich über das gesamte Vermögen und einzelne Nachlassgegenstände verfügen. Die Fotoalben, das Auto, ein Mietshaus: Allen gehört alles gemeinsam. Auch Schulden werden übrigens vererbt. Wer das vermeiden möchte, kann erwägen, ein Erbe auszuschlagen, muss aber Fristen beachten (siehe Interview).

Um Streit in der Familie zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, frühzeitig einen Steuerberater oder Notar zurate zu ziehen. Auch ein Fachanwalt für Erbrecht kann dabei helfen. Ganz wichtig sei es, sich als Erblasser rechtzeitig mit seinen Wünschen, aber auch mit den Vorstellungen der anderen Beteiligten zu beschäftigen, heißt es im Ratgeber „Immobilien verschenken und vererben“ der Stiftung Warentest.

Sie möchten, dass Ihr Testament nach Ihrem Tod rasch gefunden wird? Sie können es beim Zentralen Testamentsregister anmelden.

„Im Idealfall gehen Sie das Thema frühzeitig an und erarbeiten eine einvernehmliche Lösung mit allen Beteiligten“, empfiehlt auch Martin Thelen. Das sei zwar oft leichter gesagt als getan, räumt er ein, „doch die schlechteste Lösung ist, gar nichts zu tun“. Dabei kommen nicht nur Verfügungen von Todes wegen in Betracht, sondern auch Schenkungen zu Lebzeiten. Wer eine Immobilie verschenken möchte, muss den Übertrag von einem Notar beurkunden lassen.

Für Schenkungen sprechen häufig steuerliche Erwägungen, denn bei Erbschaften und Schenkungen gelten die gleichen Freibeträge – mit einer gewichtigen Ausnahme: Bei Verfügungen von Todes wegen greifen die Freibeträge einmalig, bei Schenkungen erneuern sie sich alle zehn Jahre. Wenn also früh damit begonnen wird, Vermögen zu übertragen, lassen sich die Freibeträge womöglich mehrfach nutzen.

Auf der anderen Seite sollte ein Erblasser aber auch darauf bedacht sein, sich nicht vorzeitig arm zu schenken. Kluge Gestaltungen – etwa Schenkungen unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs oder unter Einräumung eines Wohnrechts – helfen dabei, die Interessen des Übertragenden abzusichern und Steuern zu vermeiden. Rechtzeitige Schenkungen können auch dazu beitragen, den Pflichtteil von Angehörigen, denen man nichts oder wenig vererben möchte, klein zu halten.

Auf den Verwandtschaftsgrad kommt es an

Die Höhe der steuerlichen Freibeträge hängt prinzipiell vom Verwandtschaftsverhältnis und dem Wert des Erbes oder der Schenkung ab. Ehegatten steht ein allgemeiner Freibetrag von 500.000 Euro, Kindern von 400.000 Euro je Elternteil zu, hinzu kommen weitere Freibeträge (siehe Tabelle). Bei unverheirateten Partnern hingegen sind die Freibeträge gering. Erst wenn diese Summen überschritten werden, fällt Erbschaftsteuer an. Auch hier gilt: je enger das Verwandtschaftsverhältnis, desto geringer der Steuersatz, der dann greift. Die Freibeträge klingen üppig, doch in manchen Gegenden reicht das Erbe einer Wohnung aus, um sie zu überschreiten.

Für das selbst bewohnte Familienheim greifen indes Sonderregeln. Wer als Erbe innerhalb von sechs Monaten einzieht und mindestens zehn Jahre darin wohnen bleibt, kann es unabhängig vom Wert der Immobilie steuerfrei erben. Erbt ein Kind die Immobilie, darf die Wohnfläche des Hauses nicht mehr als 200 Quadratmeter umfassen, damit gar keine Steuern anfallen. Für den Teil, der darüber hinausgeht, müssen Steuern gezahlt werden, sofern der Freibetrag schon ausgeschöpft ist. Bei erbenden Ehe- oder Lebenspartnern gilt die 200-Quadratmeter-Obergrenze nicht.

Eine Sonderstellung genießt das selbst genutzte Familienheim auch bei Schenkungen an den Ehepartner, nicht aber an die Kinder. Stellt das Objekt den Lebensmittelpunkt der Familie dar, fällt bei Schenkung an den Ehepartner zu Lebzeiten keine Schenkungsteuer an. Ein weiterer Vorzug: Falls der eine Partner stirbt und der andere das Haus dann verkaufen möchte, ist ihm das nach einer Schenkung sofort möglich, nach Erbschaft hingegen erst nach zehn Jahren, wenn er oder sie die Steuerfreiheit bei der Erbschaftsteuer erhalten möchte.

„Unverzüglich handeln“

Trotz Trauer müssten Erben Fristen beachten, sagt Martin Thelen von der Bundesnotarkammer.

Martin Thelen. Foto: Privat

Mein Lübecker: Wenn ein Angehöriger stirbt und man ein Testament findet: Was ist zu tun?
Thelen: Wenn Sie ein Testament oder ein Schriftstück, das ein Testament sein könnte, finden, sind Sie verpflichtet, das Schriftstück unverzüglich beim zuständigen Nachlassgericht abzugeben. Das ist das Amtsgericht des Orts, wo der letzte Wohnsitz des Erblassers war. Wer dem nicht nachkommt, kann sich schadensersatzpflichtig oder sogar strafbar machen.

ML: Was macht das Gericht mit dem Testament?
Thelen: Seine erste Pflicht ist die Bekanntgabe. Das Gericht eröffnet das Testament. Meist geschieht das, anders als in vielen Filmen, unspektakulär auf schriftlichem Wege. Das Original des Schriftstücks bleibt beim Gericht, Kopien sowie das Eröffnungsprotokoll gehen an den oder die Erben. Zu diesem Zeitpunkt prüft das Gericht noch nicht, ob das Testament wirksam ist oder nicht.

ML: Jemand wird in einem Testament zum Alleinerben bestimmt, aber der Nachlass besteht auch aus Schulden. Was kann er oder sie tun?
Thelen: Wer Erbe wird, erbt alles, das Gute wie das Schlechte. Die Person kann erwägen, die Erbschaft auszuschlagen. Dafür hat man üblicherweise sechs Wochen Zeit ab dem Zeitpunkt der Kenntnis, dass man Erbe ist. Das ist nicht lang. Hielt sich der Erbe zum Todeszeitpunkt im Ausland auf oder hat der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland gehabt, beträgt die Frist sechs Monate.

ML: Was kann man tun, wenn man nichts erbt?
Thelen: Nur Abkömmlinge und Ehepartner haben Anspruch auf einen Pflichtteil. Eltern nur dann, wenn der Erblasser keine Kinder hat. Es handelt sich um einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Zahlen die Erben den Pflichtteil nicht aus, bleibt der Klageweg.

Titelfoto: Adobe Stock

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