Das Thema Altersvorsorge sorgt bei vielen für Magengrummeln. Dabei ist es gar nicht so schwierig, sich gut aufzustellen, wenn man die wichtigsten Stellschrauben kennt. Denn gelungene Altersvorsorge ist vor allem eins: Vermögensaufbau mit Plan.
Text: Johanne Gottfried
„Die Rente ist sicher“ – dieser Spruch von Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm ist legendär. Klar ist: Die gesetzliche Rente fließt zuverlässig. Aber reicht sie im Alter? Selbst die Deutsche Rentenversicherung (DRV) verweist in ihrer Renteninformation, die Arbeitnehmer ab 27 Jahren jährlich erhalten, darauf, dass „eine zusätzliche Absicherung für das Alter wichtiger“ wird, weil sonst eine Versorgungslücke drohen könnte.
Wer die wichtigsten Stellschrauben kennt, merkt aber, dass Vorsorge nicht schwierig ist. „Der wichtigste Rat lautet, das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern einfach sofort anzufangen“, betont Elmar Gaugenrieder, Altersvorsorgeexperte der Deka (siehe Interview). „Man sollte sich klar machen, dass man sich mit langfristigem Sparen Möglichkeiten für später schaffen kann. Wichtig ist, mit regelmäßigem Sparen zu beginnen.“
Schritt 1: Rentenansprüche klären
Ausgangspunkt sollte der Blick auf die gesetzlichen Rentenansprüche sein. In der Renteninformation der DRV finden Sie drei Werte: erstens die Höhe der Rente wegen voller Erwerbsminderung, zweitens die Höhe der künftigen Regelaltersrente, die man bereits erwirtschaftet hat. Und drittens eine Prognoserechnung, wie hoch die Altersrente ausfiele, wenn man künftig bis zum Rentenbeginn Beiträge wie im Schnitt der letzten fünf Kalenderjahre zahlte. Allerdings als Bruttobetrag. Davon werden noch Krankenversicherungsbeiträge (hälftig) und Pflegeversicherungsbeiträge (voll) abgezogen – und unter Umständen auch Steuern.
Für viele dürfte das nicht genug sein. Das zeigt ein Blick auf die ausgezahlten Renten: Männer bekamen 2022 durchschnittlich 1278 Euro im Monat, Frauen sogar nur 1072 Euro. „Wer seinen Ruhestand angemessen bestreiten will, muss selbst vorsorgen und Geld gezielt und intelligent zurücklegen“, rät Rolf Tilmes vom Financial Planning Standards Board.
Schritt 2: weitere Vorsorge im Blick
Im nächsten Schritt stellen Sie alle Einkunftsquellen zusammen, die Ihnen fürs Alter zur Verfügung stehen. Haben Sie Ansprüche aus einer betrieblichen Altersvorsorge oder aus privaten Vorsorgeverträgen? Auch hierzu bekommt man üblicherweise jährlich eine Standmitteilung. Oder Sie sind Eigentümer einer vermieteten Immobilie: Wie hoch sind die Einkünfte? Um auf Nummer sicher zu gehen, empfehlen Verbraucherschützer, bei Lebens- und Rentenversicherungen nur mit den garantierten Werten zu rechnen.
Wichtig: Zur Vorsorge zählt die Absicherung gegen zentrale Lebensrisiken. Überprüfen Sie, ob Sie über eine Berufsunfähigkeits- und eine Haftpflichtpolice verfügen. Gibt es in Ihrer Familie nur einen Hauptverdiener und hat die Familie womöglich Schulden aus einem Immobilienerwerb, sollte man auch eine Risikolebensversicherung erwägen.
Schritt 3: Ausgaben abschätzen
Nun gilt der Blick der Ausgabenseite. Dazu stellt man alle Ausgaben zusammen, um die man auch im Alter nicht herumkommt. Dazu zählen Wohnen und Lebenshaltung, Reisen oder auch Konzertbesuche. Etliche Experten raten, davon auszugehen, dass man auch im Rentenalter mindestens 80 Prozent der Ausgaben aus der Zeit als Berufstätiger haben wird. Die Kluft zwischen erwartbaren Einnahmen und Ausgaben nennt man Versorgungslücke. Unter www.sparkasse.de/rechner können Sie Ihren eigenen Wert ermitteln. Wichtig: nicht die Inflation außer Acht lassen. Sie ist ein mächtiger Gegenspieler für Sparer und Anleger.
Schritt 4: freies Sparen
Wer längerfristig Vermögen schaffen möchte, sollte seine Alltagsfinanzen im Griff haben. Ein wichtiger Rat: möglichst jeden Monat im Positiven wirtschaften und vor allem keine Schulden auf dem Girokonto anhäufen.
Für solide private Finanzen hilft die Orientierung am Terrassenmodell (siehe Grafik). Wer jeden Monat etwas Geld übrig behält, schafft sich zunächst auf Stufe eins des Terrassenmodells ein Polster von etwa einem Monatsgehalt auf dem Girokonto für laufende Ausgaben. Auf Stufe zwei, am besten auf einem verzinsten Tagesgeldkonto, spart man einen Notgroschen von mehreren Monatsgehältern an. Den kann man zum Beispiel für Reparaturen nutzen.
Auf der dritten Stufe legt man Geld für mittelfristig geplante größere Anschaffungen zurück, etwa über Termingelder. Das kann eine berufliche Auszeit sein oder Eigenkapital für einen Immobilienkauf. Erst wenn man auf diesen drei Stufen genügend Puffer angespart hat, ist es sinnvoll, sich ums langfristige Sparen für den Vermögensaufbau und die Ruhestandsphase zu kümmern. Tipp: Sie können das Sparen automatisieren, etwa mit der Funktion „Abräumsparen“ Ihres Sparkassen-Girokontos. Im Internetbanking lässt sich einstellen, dass man am Monatsende automatisch spart, was auf dem Girokonto übrig ist. Es lässt sich auch vorgeben, dass eine bestimmte Summe auf dem Konto verbleiben oder welcher Höchstbetrag gespart werden soll.
Schritt 5: Vorsorgeprodukte auswählen
Gerade für jüngere Anleger ist es wichtig, das Sparen für den Vermögensaufbau sehr flexibel zu gestalten. „Wenn ich kapitalmarktbasiert, regelmäßig und über sehr lange Zeiträume etwa in international breit gestreuten, börsengehandelten Indexfonds, sogenannten ETFs, investiere, kann ich mit überschaubarem finanziellen Aufwand eine Menge erreichen“, so Gaugenrieder. Dafür besonders gut geeignete Produkte sind ETF-Sparpläne auf international breit gestreute Aktienindizes. Schon mit wenigen Euro kann es losgehen.
ETFs sind börsengehandelte Indexfonds. Sie bilden einen festgelegten Börsenindex nach. Anders als von einem Fondsmanagement aktiv gemanagte Fonds „wetten“ ETFs nicht darauf, dass bestimmte Wertpapiere besser laufen als der Durchschnitt. Damit schneiden Anleger mit einem ETF im Depot immer so gut oder schlecht ab wie der zugrunde liegende Index. Mit einem ETF auf den MSCI World Index etwa investieren Anleger mit einem Schlag in rund 1500 Unternehmen aus 23 Industrieländern.
Das Wertpapierportfolio sollte man nach der eigenen Risikoneigung gestalten. Dabei helfen die Kundenberaterinnen und berater der Sparkassen. „Etwa einmal jährlich sowie zusätzlich bei Änderungen der Lebenssituation sollte man den Sparplan-Check machen und zum Beispiel überprüfen, ob die Sparplanrate noch passt, oder ob man eventuell noch etwas mehr sparen kann“, empfiehlt Deka-Experte Gaugenrieder.
Noch ein Tipp: vermögenswirksame Leistungen (VL), die in vielen Firmen als Extra zum Lohn gezahlt werden, nicht ignorieren. „Es lohnt sich, beim Arbeitgeber nach VL zu fragen. Das sollte man unbedingt nutzen und einen Sparplan auf Aktienfonds abschließen“, rät Gaugenrieder.
„Jeder Euro zählt“
Interview mit Elmar Gaugenrieder, Altersvorsorgeexperte der Deka.
Mein Lübecker: Viele Menschen zögern beim Thema Altersvorsorge. Was raten Sie ihnen?
Gaugenrieder: Beim Vermögensaufbau zählt jeder Euro. Schon mit kleinen Beträgen, über einen langen Zeitraum international breit gestreut investiert, können Anlegerinnen und Anleger sehr viel erreichen. Wer einen Investmentfondssparplan bespart, der Erträge im Fondsvermögen anlegt, kann auf längere Sicht vom Zinseszinseffekt profitieren. Auch indexnachbildende, börsengehandelte Fonds – ETFs – können eine Möglichkeit sein. Aktien-ETF-Sparpläne sind ein leicht verständliches, flexibles Produkt, das eigentlich für jeden geeignet ist, der zum Sparen zehn Jahre Zeit hat.
ML: Was sind typische Missverständnisse?
Gaugenrieder: Da gibt es einige. Zum Beispiel, dass man fürs Alter unbedingt besonders sicher anlegen sollte. Geld, das ich erst in 30 Jahren brauche, kann ich durchaus im Rahmen meines Risikoprofils für eine höhere langfristige Rendite am Kapitalmarkt investieren. Zwar sind höhere Schwankungen damit verbunden, langfristig hat sich dies jedoch bei einem breit gestreuten Investmentfonds regelmäßig ausgezahlt. Viele Anleger warten auf den optimalen Einstiegszeitpunkt, aber den kennt man erst im Nachhinein. Wer regelmäßig über einen Fondssparplan investiert, braucht sich darüber keine Gedanken zu machen. Wichtig ist allerdings, zu verstehen, in was man investiert.
ML: Wie oft sollte man seine freie Altersvorsorge überprüfen?
Gaugenrieder: Etwa einmal jährlich. Hat sich meine Lebenssituation geändert, und ich kann mehr sparen? Oder gründe ich gerade eine Familie und muss meine Raten eine Zeit lang reduzieren? All das ist mit Fondssparplänen flexibel möglich. Das Wichtigste ist, dranzubleiben. Später kann ich meinen Sparplan in einen Auszahlplan umwandeln und mir eine Art Zusatzrente auszahlen.
Fotos Adobe Stock, Elmar Gaugenrieder