Mehr Farbe, mehr Schwung: In Sachen Einrichtung stehen die Zeichen auf Veränderung. Mein Lübecker hat die aktuellen Wohntrends aufgespürt und Trendscouts gefragt, welche neuen Interieur-Ideen in den Startlöchern stehen.
Text: Stefanie Hutschenreuter
Mit der schnelllebigen Modewelt ist der Interieur-Bereich nur bedingt zu vergleichen. Doch auch hier steht die Welt nicht still. Designer und Industrie lassen sich regelmäßig Neues einfallen. Innovative Gestaltungsideen, Deko-Elemente und Möbelstücke fangen den Zeitgeist ein und setzen Trends, denn wie sich die Welt verändert, hat großen Einfluss darauf, was wir als modern empfinden.
Einrichtungstrends sind somit auch ein Ausdruck von sich verändernden Lebensstilen und Werten. In einer Zeit, die geprägt ist von Kriegen, wirtschaftlicher Unsicherheit, Klimawandel und rasant fortschreitender Digitalisierung, wächst das Bedürfnis nach Harmonie und Fröhlichkeit, Stabilität und Geborgenheit, aber auch nach Authentizität und Individualität. Das spiegelt sich in den Wohntrends wider.
Trend 1: Mut zur Farbe
„Aktuell befinden wir uns in einer Phase, die von der Grundstimmung her sehr warm ist“, sagt Gabriela Kaiser, die professionell neue Trends aufspürt und dazu Unternehmen, Messen und Fachverlage berät. Hauptverantwortlich für das warme Ambiente ist die Farbe Braun. Im Wohnraum gesellen sich oft Terrakotta-, Honig- oder Senftöne aus dem Farbspektrum der Erdtöne hinzu, die sich harmonisch ins Bild einfügen und so zur ruhigen Grundstimmung beitragen. Kaum verwunderlich, dass das Farbinstitut Pantone mit Mocha Mousse einen Braunton zur Farbe des Jahres 2025 gewählt hat.
Gabriela Kaiser sieht allerdings „eine langsame Abkehr dieses Ton-in-Ton, das uns jahrelang auf Social Media begleitet hat“. Der Trend gehe in Richtung Farbkontraste. Immer häufiger setzen Interieur-Designer mit kräftigen, teilweise sogar knalligen Farben Akzente.

Vor allem Rot liegt hierbei im Trend. Ob als Sessel in einem tiefen Burgunderrot oder als Tischleuchte in ausdrucksstarkem Signalrot: Die Trendfarbe ist derzeit allgegenwärtig. Daneben scheinen aber auch kräftige Blau- und Gelbtöne im Kommen zu sein. Auf die Spitze getrieben wird das Ganze im sogenannten Dopamin-Einrichtungsstil, der seinen Namen einem Neurotransmitter verdankt, der Glücksgefühle auslöst. Dabei werden fröhlich anmutende, knallige und kontrastreiche Farben großflächig nebeneinander platziert – quietschbunt und gern schrill. Manche Experten sehen darin eine Gegenbewegung zu den Erdfarben.
„Generell darf man wieder ein bisschen mehr Mut zur Farbe haben – nicht nur an den Wänden, sondern vielleicht auch mal an den Möbeln“, sagt auch Katrin de Louw, die sich ebenfalls dem Trendscouting verschrieben hat und mit ihrer Agentur Trendfilter Designprognosen für Betriebe aus der Möbel- und Inneneinrichtungsbranche erstellt.
Dass vor allem warme Farben im Trend liegen, ist ihrer Ansicht nach auf eine Sehnsucht nach Geborgenheit zurückzuführen. Als Ausdruck eines weitverbreiteten Wunschs, sich daheim eine Oase der Ruhe und Wärme zu erschaffen, sieht die Expertin auch die wiedererwachte Lust an Textilien. „Wir haben viele Jahre super schallhart gebaut mit sichtbaren Betonwänden, viel Glas und knallharten Fliesenböden. Davon gehen wir mehr und mehr weg“, erläutert sie. Denn Stoffe lassen Räume kuscheliger und weicher erscheinen. Aus dem gleichen Grund erleben auch Teppiche und Teppichböden sowie textile Tapeten ein Comeback.
Trend 2: Natürlichkeit neben Coolness
Bereits längere Zeit im Trend liegen Naturmaterialien – und hier besonders Holz. „Was das Holz angeht, wird es sehr vielfältig. Wir sehen helle Hölzer, die sehr skandinavisch anmuten. Wir sehen aber auch dunklere Hölzer und solche im mittleren Farbsegment“, sagt de Louw. Im naturverbundenen Wohnstil wird Holz gern mit anderen Naturprodukten wie Rattan oder Sisal, oft auch in Form von Flechtwerken, kombiniert.
Die Industrie experimentiert darüber hinaus mit ungewöhnlichen Naturstoffen. So gibt es mittlerweile biologisch abbaubare Möbel aus Algen oder Hanf. All das zeigt: Die Trendwelle zur Natürlichkeit wird wohl so schnell nicht abebben.

Neu ist jedoch die Kombination von natürlichem Holz mit coolen silberfarbenen Metalloberflächen. Das wirkt manchmal fast schon ein wenig futuristisch. „Es gibt Küchen, deren Fronten aus Holz sind und die Arbeitsplatten in Chromoptik. Ich habe aber auch schon ganze Couchlandschaften in Silber gesehen“, verrät Kaiser. Parallel zu den immer noch ziemlich präsenten bräunlichen Metallfarben dürfen also auch wieder kühler wirkende Elemente wie silberfarbene Metalle oder Spiegel eingesetzt werden.
Trend 3: skulpturale, runde Möbel
In puncto Möbel sind schon seit geraumer Zeit organische, abgerundete Formen mit Kuschelfaktor angesagt. Hier kann man nicht anecken, real wie im übertragenen Sinne, denn weiche Kanten vermitteln Geborgenheit und Harmonie pur. Die runden Sofalandschaften sind meist dick gepolstert. Beim tiefen Einsinken in die Polsterung wirkt es, als umarme einen das Möbelstück regelrecht.
Immer öfter seien es aber nicht nur Rundungen, die als Gestaltungselement dienten, sondern der Kreis, wie de Louw betont: „Jetzt kommen kreisrunde Tische auf mit einem passenden runden Teppich darunter und einer Glaskugel als Pendelleuchte darüber.“ Selbst Sideboards und Kücheninseln enden häufig im Halbkreis. „Und dann müssen sie natürlich als Solitäre stehen, weil sie nicht an etwas angrenzen können“, sagt die Interieur-Fachfrau.
Allerdings sehe man zwischen all den Rundungen seit Kurzem auf den Messen erstmals auch wieder ein paar Kanten und Ecken, konstatiert Gabriela Kaiser. Das sei ein Indiz dafür, dass sich die Formensprache zu verändern beginne. Noch sind es jedoch die organischen Formen, die den Nerv der Zeit treffen, denn auch dieser Trend unterstreicht das Verlangen nach einem wohnlichen und heimeligen Zuhause.
Trend 3: Kontraste

Besonders gefragt sind aktuell Akzente setzende Farb- und Materialkombinationen. Auch Muster, die Kontraste schaffen, werden häufiger. Das Schachbrettmuster erlebt zum Beispiel ein Revival. Auf dem Boden, auf Tischen, an Vasen: Nahezu überall ist es präsent. „Doch auch wenn Kontraste zunehmen, bleibt die Stimmung dennoch warm. Es ist nicht so reduziert wie in den Neunzigern“, sagt Gabriela Kaiser. Dunkel-hell-Kombinationen wie beim Schachbrettmuster sind daher meist nicht in hartem Schwarz-Weiß gehalten, sondern in Anthrazit-Creme oder Schwarz-Beige.
Für Katrin de Louw steckt hinter dem Mustertrend auch das Bedürfnis, wieder mehr Romantik und Wertigkeit zu transportieren: „Wir sehen, dass gerade klassische Muster wie das Hahnentrittmuster oder auch Pepita beliebt sind.“
Trend 5: retro und secondhand
Ähnlich verhält es sich mit dem inzwischen fast schon zum Dauerbrenner avancierten Retrotrend. Der Fokus hierbei liegt auf Mid-Century, also der Designsprache der 1950er- und 1960er-Jahre. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich inzwischen allerdings auch das Wohnambiente mit Anklängen an die 1970er-Jahre. Dabei gesellen sich zu samtbezogenen Polstermöbeln runde Leuchten und grafische Muster. Neuerdings erleben zudem die 1980er-Jahre ein Revival.
Gern werden dabei neue Möbel mit alten Stücken kombiniert. Erlaubt ist, was gefällt. Das kreative Mix and Match drückt schließlich Individualität aus. „Dadurch, dass sich immer mehr Menschen mit Secondhandmöbeln einrichten, verändert sich auch die Designsprache von neuen Möbeln in Richtung gebraucht“, erläutert Kaiser. Die Folge: Shabby Chic und Farbwelten mit angegrauten Tönen liegen im Trend, denn Farben verlieren über die Jahre automatisch durch die Sonneneinstrahlung ihre Leuchtkraft.
Trend 6: Nachhaltigkeit als Notwendigkeit
Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der sich durch alle Lebensbereiche zieht und auch fürs Einrichten wichtiger wird. Käufer hinterfragen heute viel häufiger, ob Interieur-Hersteller es ernst mit der Nachhaltigkeit meinen oder Greenwashing betreiben. Dabei hat Nachhaltigkeit viele Facetten. Neben ökologischen und ökonomischen Aspekten spielt auch soziale Gerechtigkeit eine Rolle. Nachhaltig ist ein Produkt dann, wenn es ressourcenschonend, mit möglichst wenig CO2-Emissionen und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde. Auch Themen wie Kreislaufwirtschaft, Recyclingfähigkeit und Langlebigkeit spielen eine Rolle.
Hochwertig verarbeitete Designermöbel, die Jahrzehnte überdauern und an die nächste Generation weitergegeben werden, sind an Nachhaltigkeit kaum zu übertreffen. Ebenso nachhaltig und noch dazu preiswert ist das Upcycling ausgedienter Gegenstände und Möbel. Das zeigt: Nachhaltig einrichten muss nicht teuer sein.
Deko-Ideen für Trendbewusste
Mit trendiger Home-Deko weht ein frischer Wind durchs Zuhause.
Wer bei seiner Einrichtung mit der Zeit gehen möchte, muss nicht gleich eine Komplettrenovierung vornehmen, denn schon mit neuen Wohnaccessoires wie Kissenbezügen, Leuchten, Vasen oder Bildern lässt sich ein neuer Look kreieren. So kann zum Beispiel der momentan nicht nur bei Kleidung sehr angesagte Leo-Trend Einzug halten. Zu den Heimtextilien mit dem tierischen Muster passen Bilder mit Großkatzen oder auch Vasen in Leopardenform.
Ein weiterer Trend, der gerade aus der Modewelt in unsere Wohn- und Esszimmer schwappt, sind Schleifen. Denn die machen sich nicht nur an Schuhen, Jacken und Taschen gut, sondern auch als Tischdeko oder an der Wand. Dabei müssen die niedlichen Schleifen nicht nur aus Bändern gebunden sein. Es gibt sie inzwischen auch zahlreich aus Keramik auf Geschirr oder in Form von Deko-Elementen wie Kerzenständern.
„Trends entwickeln sich in Wellen“
Interieur-Expertin Gabriela Kaiser sieht Wohntrends als Spiegel des Zeitgeists.

Mein Lübecker: Was ist eigentlich ein Wohntrend?
Gabriela Kaiser: Der eine Wohntrend existiert nicht, weil jeder Mensch andere Vorlieben hat. Es gibt Menschen, die wohnen gern natürlich und umgeben sich mit viel Holz. Es gibt aber auch solche, die es romantisch verspielt lieben, und andere wieder, die eher cool wohnen. Trotzdem lassen sich übergeordnete Trends ausmachen, weil wir uns an anderen und deren Einrichtungsstilen orientieren. Die wenigsten agieren total individuell.
ML: Wie entstehen dann Wohntrends?
Kaiser: Aus ganz unterschiedlichen Inspirationsquellen. Filme und Serien beeinflussen uns zum Beispiel sehr, weil wir da in Welten eintauchen, die uns berühren, die wir schön finden und von denen wir etwas in unser Leben transportieren möchten. Mit dem Erfolg der Netflix-Serie „Bridgerton“ etwa ist der blumige Stil der Regency-Ära modern geworden. Trends entwickeln sich zudem in Wellen: Auf jeden Trend folgt ein Gegentrend.
ML: Inwiefern verändern technische Entwicklungen wie KI die Art, wie wir uns einrichten?
Kaiser: Neue Techniken haben immer Einfluss. Interessant finde ich derzeit die Diskussion rund um Design mit Human Touch. Denn ist Design zu perfekt, denkt man: Das hat eine KI gemacht. Also versuchen Designer gezielt, ihre Entwürfe mit einem Hauch Unvollkommenheit menschlicher wirken zu lassen. Und natürlich wird man der KI in Zukunft antrainieren, Unperfektes einzubauen.
ML: Haben Sie einen Tipp für Menschen, die ihre Einrichtung verändern möchten?
Kaiser: Im Urlaub lässt sich prima herausfinden, ob man sich in einem anderen Wohnstil wohlfühlen würde. Dazu muss man sich nur ein Hotel suchen, das in dem Stil eingerichtet ist, den man ausprobieren möchte.
Fotos: Koelnmesse GmbH Thomas Klerx, Roland Hustert, Georg Kaiser