Dax-Dividenden auf Rekordkurs: Was Anleger jetzt wissen müssen

Die 40 Dax-Unternehmen werden 2024 den Dividendenrekord aus dem Vorjahr um voraussichtlich 1,6 Milliarden Euro übertreffen. Rund 54,6 Milliarden Euro schütten die Dax-Unternehmen zusammen an die Anteilseigner aus. Für den Dax ergibt sich so eine Dividendenrendite von etwa 4 Prozent. Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der DekaBank, wirft im Mein Lübecker Magazin einen Blick auf das aktuelle Börsenjahr in Deutschland, Europa und den USA.

Interview: Gunnar Erth

Joachim Schallmayer

Mein Lübecker: Die deutsche Wirtschaft schwächelt, trotzdem steigen die Dax-Dividenden. Wie passt das zusammen?
Joachim Schallmayer: Das passt gut zusammen, ist aber erklärungsbedürftig. Man darf die deutsche Volkswirtschaft nicht mit dem Dax verwechseln. Für die deutsche Volkswirtschaft kann man mit gutem Grund nicht positiv gestimmt sein. 2023 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt und in diesem Jahr wird es voraussichtlich stagnieren. Im Vergleich bedeutet dies: Im neuen globalen Wachstumsausblick der OECD für 2024 steht die deutsche Volkswirtschaft an vorletzter Stelle. Global ist das Wachstum also intakt und genau deswegen sieht es für die 40 Unternehmen im Dax, die mehr als 80 Prozent ihrer Umsätze im Ausland erzielen, deutlich besser aus. Man darf die Lage der deutschen Wirtschaft daher nicht auf sie übertragen.

Die Geschäftsentwicklung der Dax-Unternehmen rechtfertigt also die hohen Dividenden?
Es ist jetzt nicht so, dass die Unternehmen im Dax 2023 eine besonders starke Gewinndynamik gezeigt hätten. Es gab ganz leichte Rückgänge. Angesichts der starken Gewinne im Vorjahr waren es aber dennoch  gute Ergebnisse. Bei der Dividende muss man zwei Dinge berücksichtigen: Zum einen lassen die Unternehmen ihre Anteilseigner am Geschäftserfolg des zurückliegenden Jahr teilhaben. Zum anderen möchten die Gesellschaften eine hohe Dividendenkontinuität bieten. Da viele Unternehmen davon ausgehen, dass die Perspektiven für ihre Gewinnsituation 2024 stabil oder besser wird, kommt es in diesem Jahr bei vielen Unternehmen zu einem erfreulichen Anstieg der Dividende.

Ein Blick aufs Parkett der Deutschen Börse – das allerdings kaum noch zum Handeln in Präsenz genutzt wird. Die Deutsche Börse AG selbst gehört ebenfalls zu den 40 Dax-Unternehmen und zahlt in diesem Jahr voraussichtlich 4,20 Euro pro Aktie. Quelle: Deutsche Börse AG

Das können sich die Firmen im Dax leisten?  
Ganz klar: ja. Die Dax-Unternehmen schütten außerdem vorsichtig aus. Die Ausschüttungsquote, also der Anteil der Dividendenausschüttung am erwirtschafteten Gewinn, liegt im Durchschnitt bei knapp 39 Prozent.

In den USA ist die Dividendenrendite oft niedriger als in Deutschland. Wie kommt das?
Die Dividendenrenditen spielen für Anleger, die europäische Aktien kaufen oft eine wichtige Rolle. In den USA sind andere Aspekte wichtig und so liegen sie meist unter den europäischen Werten. Dort spielen Aktienrückkäufe, die sogenannten Buybacks, durch die Unternehmen eine bedeutendere Rolle.

Die Buybacks gibt es aber auch in Deutschland.
Sie nehmen zu, bewegen sich aber auf einem ganz anderen Niveau als in den USA. Einige deutsche Unternehmen machen es regelmäßig, zum Beispiel die großen Versicherer.

Die Dax-Unternehmen haben 2024 voraussichtlich eine Dividendenrendite von vier Prozent. Wie hoch sind die Dividendenrenditen im Vergleich dazu im EuroStoxx50 oder den großen US-Indizes?
Im EuroStoxx50 sind wir bei etwa 3,5 Prozent Dividendenrendite, wenn man vom aktuellen Stand der Kurse ausgeht. Im S&P 500 liegt sie bei 1,5 Prozent, im Dow Jones bei 2 Prozent. Allerdings muss man dazu eben noch die oft hohen Buybacks berücksichtigen, die oft durch die Aktienverknappung den Aktienwert steigern und so etwas an die Anteilseigner zurückgeben.

Die Dividende wird ja am sogenannten Ex-Tag vom Börsenwert abgezogen. Macht es sich dennoch bezahlt, auf dividendenstarke Titel zu setzen? Wird dieser Kursverlust schnell wieder eingeholt?
Das ist korrekt, am Ex-Tag wird die Aktie zum Börsenstart mit einem Kursabschlag gehandelt, weil Eigenkapital in Form der Dividende abfließt. In der Regel wird dies wieder aufgeholt. Wie schnell es geschieht, hängt neben den Geschäftsperspektiven des einzelnen Unternehmens oftmals auch von der Gesamtmarktlage ab.

Die Dividende ist nur ein Teil des Gesamtertrags. Die Kursentwicklung ein anderer. Wie sind die Prognosen der Deka für den Dax, der gerade mit 17.000 Punkten einen neuen Rekord erreicht hat?
Ende Dezember 2023 lautete unsere Prognose für den Dax zum Jahresende 2024 bei 17.500 Punkten. Allerdings sind wir extrem positiv ins Börsenjahr gestartet. Die Quartalszahlen der börsennotierten Unternehmen und auch die neuen globalen gesamtwirtschaftlichen Daten sind meist positiv. So hat sich zum Beispiel die Stimmung in den Einkaufsmanagerindizes im verarbeitenden Gewerbe und bei den Dienstleistern stark aufgehellt – zumindest global, Deutschland ist hier eine Ausnahme. Deshalb haben wir Anfang Februar unser bisher schon ambitioniertes  Kursziel für den Dax, der ja vor allem global tätige Unternehmen repräsentiert, für die nächsten zwölf Monate auf 18.000 Punkte erhöht. Dies wird auch durch die aktuellen Unternehmensberichte der Dax-Unternehmen gestützt.

Die Aktie der Mercedes-Benz Group AG wird dieses Jahr voraussichtlich eine Dividendenrendite von 8,4 Prozent haben. Das ist der höchste Wert aller 40 Titel im Dax. Die Hauptversammlung findet dieses Jahr am 8. Mai statt. Foto: Mercedes-Benz Group AG

Wie sehen die aus?
Ich gehe davon aus, dass die Dax-Unternehmen 2024 im Durchschnitt ein hohes einstelliges Gewinnwachstum sehen werden. Zudem sind die aktuellen Bewertungen der Aktien wenig ambitioniert. Deswegen ist einiges an Kurspotenzial da. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass der Dax ein Performance-Index ist, der im Gegensatz zu einem reinen Kursindex auch Zusatzerträge wie Dividenden beinhaltet.

Eine Steigerung von 17.000 auf 18.000 Punkte sind rund sechs Prozent, inklusive Dividende.
Ja, und dies zeigt, wie wichtig die Ertragskomponente Dividende ist. Sie macht in der Regel rund die Hälfte am Gesamtertrag aus.

Wie sind denn Ihre Kurszielerwartungen beim amerikanischen S&P 500?
Beim S&P 500 ist das Kursziel 5000 Punkte – allerdings nicht fürs Gesamtjahr, sondern für die nächsten drei Monate. Allerdings gilt es, Kursprognosen richtig einzuordnen. Sie sind ein Erwartungswert für Richtung, Zeitraum und Ausmaß und sind somit zur Orientierung extrem wichtig, sie sollten aber nicht als punktgenaue Zielgröße verstanden werden.

Sechs der 40 Firmen im Leitindex stehen für 48 Prozent der ausgeschütteten Dividenden. Neben der Allianz, der Deutschen Telekom und Siemens sind dies die Autohersteller BMW, Mercedes und VW.

Aktuell sind wir ja schon fast bei 5000 Punkten.
Ja, und das spricht für das bisher sehr gute Anlagejahr mit einem Return von etwa 5 Prozent in den ersten fünf Kalenderwochen. Im S&P 500 hatten wir in den letzten drei Monaten fast 20 Prozent Wertsteigerung. Auch wenn das derzeitige Umfeld positiv ist und klar für Aktien spricht, sollten wir die starken Anstiege der letzten Monate nicht linear für das Gesamtjahr fortschreiben.

Das heißt, es könnte in den kommenden Monaten auch größere Kursrückgänge geben?
Die Gefahr von Kursrückschlägen halte ich in den kommenden Monaten für geringer als noch vor zwei Wochen. Wir haben in den vergangenen Wochen gesehen, dass die meisten großen Technologiekonzerne in den USA, die der Treiber für die US-Börsen sind, die hohen Erwartungen erfüllt haben. Im weiteren Jahresverlauf könnte es dann aber etwas schwieriger werden.

Welche externen politischen und wirtschaftlichen Faktoren können den Aktienmarkt in diesem Jahr besonders stark beeinflussen?
Wir leben in einem geopolitisch unsicheren Umfeld, das jederzeit Folgen für die Kapitalmärkte haben kann. Ich würde aber kein zu großes Gewicht auf die politischen Faktoren legen, denn sie haben für die langfristige Kapitalanlage meistens keine ausschlaggebende Rolle. Das haben die vergangenen zwei Jahre eindrucksvoll gezeigt. Hätte man seine Investitionsentscheidungen auf den politischen Rahmenbedingungen basiert, hätte man Fehlentscheidungen getroffen. Viel wichtiger als kriegerische Auseinandersetzungen und Wahlen wird 2024 für die Börse sein, was die Notenbanken machen.

Was erwarten Sie da?
Die Signale der Notenbanken sowohl aus den USA als auch aus Europa sind klar, die Zinserhöhungen sind beendet. Der Markt erwartet ab Jahresmitte eine deutliche Kehrtwende mit mehreren Zinssenkungen in den USA und Europa. Die spannendste Frage wird 2024 neben der Inflationsentwicklung sein, ob die Konjunktur nicht ein solches Momentum hat, dass die Leitzinsen eventuell später als erwartet gesenkt werden.

Apple zahlt zwar eine gemessen an deutschen Standards eher geringe Dividende, hat aber allein zwischen September 2022 und September 2023 Aktienrückkäufe im Volumen von 83 Milliarden US-Dollar getätigt. Foto: Apple

In den USA ist man optimistisch und erwartet für 2024 mindestens drei Zinsschritte nach unten.
Der Kapitalmarkt hatte Ende letzten Jahres in den Geldmarkt-Futures eingepreist, dass die US-Notenbank bereits im März 2024 den Leitzins senken wird. Jetzt dreht man dies so langsam zurück, denn die Erwartungen waren zu optimistisch. Wir gehen davon aus, dass die Fed die erste Zinssenkung im Juni vornehmen wird und dass es im Jahresverlauf zwei weitere Senkungen geben wird. Aber egal, was genau passiert: Wir haben eine stabile Konjunkturlage, gute Unternehmensergebnisse, viele vernünftig bewertete Aktien und deshalb gilt es, investiert zu bleiben und die Positionen kontinuierlich auszubauen.

Der Auftrieb an den Börsen hat teilweise mit dem Boom rund um das Thema künstliche Intelligenz in den USA zu tun. Inwieweit können deutsche Unternehmen daran partizipieren?
Die KI-Thematik ist stark US-zentrisch. Wir haben in Deutschland nicht annähernd entsprechende Unternehmen, die in Sachen Marktkapitalisierung den Amerikanern das Wasser reichen können. In Deutschland und Europa generell sind eher andere Themen relevant: Wir sind stärker industrie- und konsumbasiert. Deswegen sind für die deutsche Wirtschaft eine stabile Weltkonjunktur im verarbeitenden Gewerbe und ein anziehender Handel sehr wichtig.

Wir schauen also mehr in Richtung China?
Was das betrifft, werden die deutschen Unternehmen bei ihren Investitionsentscheidungen Richtung China zunehmend vorsichtiger. Aber Asien wächst insgesamt sehr stark. Und die deutschen Unternehmen schauen auch in die USA mit ihrer resilienten Wirtschaft. Die Firmen sind flexibel und lenken ihre Investitionen um, währen sich die deutsche Volkswirtschaft mit Anpassungen schwerer tun wird.

Spatenstich für einen neuen BMW-Montagestandort für Hochvoltbatterien in South Carolina im Juni 2023. Der deutsche Autobauer investiert 700 Millionen US-Dollar in die Fabrik in Woodruff sowie eine Milliarde US-Dollar in das Werk Spartanburg zur Vorbereitung der Produktion von E-Fahrzeugen. Foto: BMW

Wie wichtig sollte das Kriterium Dividende bei der Auswahl der Aktien sein? Auf was für Kennzahlen und Faktoren sollte man besonders achten?
Die Dividende ist ein Faktor. Anleger sind gut beraten neben der Dividende weitere Kennzahlen zur Rate zu ziehen. Man kann aber einen Schwerpunkt bei seiner Anlagestrategie auf Aktien legen, die nachhaltig hohe Dividenden bezahlen. Doch auch ist beispielsweise eine starke Positionierung am Markt wichtig. Man muss also aktiv selektieren, was wir zum Beispiel im Deka-DividendenStrategie machen, der Fonds wurde im Herbst bei den Scope Awards als beste Dividenden-Strategie ausgezeichnet. Man kann sich auch fragen, ob man alternativ lieber in die Stilrichtungen Value oder Wachstum investieren will – oder ob man breiter diversifizieren will, etwa auch nach regionalen Märkten. Wichtig ist, anzufangen. Die Anlagestrategie muss vor allem zum eigenen Portfolio und zur Risikobereitschaft passen.

Was für Produkte hat die Deka für diese unterschiedlichen Anlagestrategien?
Als Wertpapierhaus der Sparkassen haben Anlegerinnen und Anleger bei uns quasi alle Möglichkeiten: Wir haben Themenprodukte mit dem Fokus auf Dividenden oder auf Global Champions, also weltweit starke Unternehmen. Wir haben aber auch Indexlösungen, ETFs, die bestimmte Märkte abbilden. Und wir haben natürlich aktiv gemanagte Fonds, die in spezifischen Regionen wie den USA oder Europa und Stilrichtungen investieren. Es kommt ganz auf den Anlagestil jedes Einzelnen an. Auch auf der Anleiheseite ist die Produktvielfalt groß und dank der gestiegenen Zinsen, gibt es auch hier viele attraktive Anlagemöglichkeiten.. Man kann jetzt wieder interessante gemischte Portfolios aus Aktien und Anleihen zusammenstellen. Hier können die Beraterinnen und Berater der Sparkasse bei der Orientierung helfen. Insofern sollte man sich vor der Entscheidung gut beraten lassen.

Die vollständige Übersicht über die erwarteten Dividenden aller 40-DAX-Unternehmen steht als PDF zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Titelfoto: Deutsche Börse AG

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