Trotz rechtlicher Gleichstellung und Frauenförderung machen deutlich weniger Frauen Karriere als Männer. Was jede Einzelne tun kann, um ihre Chancen zu verbessern.
Text: Christine Mattauch
Als Sandra Westermann ihr Ziel erreicht hatte, bedeutete das zugleich: Endstation. Jahrelang hatte sich die Münchnerin in der Filmindustrie von einer Assistenz zur nächsten gehangelt, bis sie die Produktion einer großen Fernsehshow leitete. Einen gleichwertigen Anschlussjob fand Westermann aber nicht, denn: Sie war Mutter geworden und brauchte flexible Arbeitsbedingungen. Das reichte, um potenzielle Auftraggeber abzuschrecken. „Die Branche war nicht auf das Thema vorbereitet“, stellt sie enttäuscht fest.
Das war vor sieben Jahren. Seither hat sich manches verbessert, doch die Statistik zeigt: Dass Frauen Karriere machen, ist auch im Jahr 2025 keine Selbstverständlichkeit. Allem Bemühen um Diversität und zweier Gesetze zur gleichberechtigten Teilhabe an Führungspositionen zum Trotz sind Frauen in Deutschland bei Top-Jobs deutlich unterrepräsentiert. 2024 lag ihr Anteil bei 29 Prozent, so das Statistische Bundesamt.
Selbstvertrauen und Disziplin als Basis
Frauen scheitern an spezifischen Barrieren und Vorurteilen, manchmal auch an sich selbst. „Sich in einer männerdominierten Welt durchzusetzen, ist nicht immer lustig. Wer erfolgreich sein will, braucht Selbstvertrauen und Disziplin“, sagt Katrin Winkler, Professorin für Personalmanagement, Personalentwicklung und Wissensmanagement an der Hochschule Kempten und Leiterin der Kempten Business School (siehe auch Interview unten).
Dabei gibt es für Frauen viele Möglichkeiten, ihre berufliche Entwicklung voranzutreiben und Widerstände zu überwinden. Angesichts der Knappheit an Fachkräften intensivieren viele Arbeitgeber außerdem ihr Engagement bei der Frauenförderung – übrigens auch die Sparkassen. „Die Chancen für Kolleginnen sind enorm groß, sich als Führungskraft zu qualifizieren“, sagt Barbara Doerr-Lappe, Expertin für Karrierethemen an der Sparkassenakademie NRW.

Medienmanagerin Westermann, die meist für ein spezielles Filmprojekt angestellt wurde, hatte sich auf eigene Faust nach oben gearbeitet. „Mein Ehrgeiz hat mir geholfen. Ich habe immer gewusst, wo ich hinwill“, so die heute 45-Jährige. Dabei stellte sie fest, dass erfahrene Kollegen und Vorgesetzte sie gern unterstützten – auch Männer. „Motivation gepaart mit Sachkenntnis, das imponiert vielen. Einige fanden es auch cool, dass eine junge Frau wie ich in einer männlich dominierten Branche Fuß fassen will“, sagt sie.
Klare Ziele formulieren und die Rückendeckung durch Mentoren suchen: Das sind Kernelemente erfolgreicher Karriereplanung. Generell gilt: Sich im Job wissbegierig und offen zu zeigen, hilft bei der Konkretisierung der eigenen Interessen. Und dabei, Verbündete und Förderer zu gewinnen. Gerade zu Beginn einer Karriere ist es durchaus erlaubt, auf Vorgesetzte zuzugehen und Fragen zu stellen wie „Können Sie mir das erklären?“ oder „Würdest du mich mal zu deiner Konferenz mitnehmen?“. „Viele Ältere finden es toll, Jüngeren zur Seite zu stehen“, weiß Doerr-Lappe, geht das doch in der Regel mit einer Wertschätzung ihres Erfahrungsschatzes einher.
Netzwerke und Außendarstellung pflegen
Auch der Aufbau eines Netzwerks hilft beim Aufstieg. Pflicht ist eine möglichst aktive Präsenz auf digitalen Business-Portalen wie Linkedin. Kontaktpflege auf Tagungen, in Weiterbildungen oder durch ein Ehrenamt ist deshalb aber nicht überflüssig, sondern häufig sogar besonders tragfähig. Und weil viele ähnliche Erfahrungen machen, können auch Karrierenetzwerke nur für Frauen nützlich sein, etwa die Business-Community Sheciety.
Ein gut gepflegtes Netzwerk fördert zugleich die Sichtbarkeit. Die ist Voraussetzung dafür, bei Stellenbesetzungen in Betracht gezogen oder empfohlen zu werden. Deshalb: Präsenz im Job zeigen und ein erkennbares Profil entwickeln, sei es durch Gremienarbeit, Teilnahme an Projekten oder Vorträge auf Veranstaltungen. Zudem kann es nicht schaden, in Gespräche dosiert eigene Stärken und Erfolge einfließen zu lassen. Akademiemanagerin Doerr-Lappe bringt es auf eine kurze Formel: „Selbstmarketing ist der Schlüssel“ – übrigens auch per Kleidung. Warum sich nicht durch einen fliederfarbenen Anzug vom eintönigen Männergrau abheben?
Um Macht und Gehalt allein geht es nicht
Eine andere Frage ist, inwieweit klassische Karrierewege, die auf die Wünsche von Männern zugeschnitten sind, für Frauen attraktiver gestaltet werden können. Ein Zuwachs an Macht und Gehalt ist Frauen als Ziel meist „zu eindimensional“, ergab eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Sie wollen fachliche Leistung mit Gestaltungsspielräumen und einer guten Balance zwischen Beruf und Privatleben verbinden. „Karriereentscheidungen werden so zu Lebensentscheidungen“, betonen die Studienautoren.
Das wissen auch viele Arbeitgeber. Schon im Bewerbungsgespräch sollten Frauen sich danach erkundigen, wie viele Chefposten weiblich besetzt sind, ob es Angebote zur Frauenförderung gibt und welche Arbeitszeitmodelle für Führungskräfte möglich sind. Immer mehr Firmen richten Tandemlösungen ein, bei denen sich Teilzeitkräfte eine Spitzenposition teilen. Und wenn der potenzielle Arbeitgeber negativ auf solche Fragen reagiert? Dann bietet er aus Frauensicht ohnehin nicht den idealen Arbeitsplatz.

Allerdings gehört zu einem Top-Job auch die Einsicht, dass der Beruf gelegentlich Vorrang vor Freizeit und Familie hat. Was das in der Praxis bedeutet, „muss gut organisiert und mit dem Arbeitgeber verhandelt werden“, empfiehlt Doerr-Lappe. Immerhin werde eine Verfügbarkeit am Abend oder am Wochenende selbst bei Spitzenmanagern nicht mehr so selbstverständlich vorausgesetzt wie früher.
Wenn Veränderung ansteht, weil der Job keinen Spaß mehr macht oder fehlende Kompetenzen der Karriere im Weg stehen: Daran lässt sich arbeiten, etwa durch Coaching. Doch wie findet man einen Coach, der passt? Sonja Steffens-Brunen, Gründerin der Personalentwicklung Your Culture mit Sitz in Schwalmtal, rät, bei der hauseigenen Personalabteilung zu fragen. „Viele Unternehmen haben einen Beraterpool und helfen beim Matching“, weiß sie.
Auf dem freien Markt bieten neben Einzelcoaches auch spezialisierte Firmen ihre Dienste an, etwa Mom-Career oder das auf Elternzeitprogramme fokussierte Netzwerk My Collective. Persönliche Empfehlungen und ein Blick auf die Methodik erleichtern die Auswahl, ebenso ein Kennenlerngespräch, das kostenlos sein sollte.
Auf Weiterbildung achten
Sinnvoll, wenn die Übernahme einer Führungsfunktion kurz bevorsteht: Leadership-Kurse für Frauen, wie sie etwa die Quadriga-Hochschule in Berlin oder die Kempten Business School aufgelegt haben. Für eine punktuelle Weiterbildung kann E-Learning von Anbietern wie Pinktum eine Alternative sein. Ellen Schmidt von der Sparkassenakademie empfiehlt, mit einem konkreten Vorschlag an den Arbeitgeber heranzutreten und um Kostenübernahme zu bitten.
Dazulernen müssen aber auch die Männer, findet Trainerin Steffens-Brunen: „Sie sollten wissen, dass Frauen vor der Übernahme einer neuen Aufgabe zwar häufiger zögern, sie aber anschließend mit großer Kompetenz erfüllen.“

Bei den Sparkassen wird Frauenförderung großgeschrieben. So bietet die Finanzgruppe eine Vielzahl von Homeoffice- und Teilzeitmodellen. Den Kulturwandel beschleunigen nicht zuletzt die hauseigenen Akademien mit Weiterbildungen wie „Führen in Teilzeit“ oder „Women Karrierekompass“. „Die Bereitschaft von Vorgesetzten, den Besuch zu ermöglichen, ist sehr groß“, weiß Barbara Doerr-Lappe.
Und was wurde aus Sandra Westermann? Nach den schlechten Erfahrungen in der Filmbranche gründete sie Superheldin, eine Online-Stellenbörse für frauen- und familienfreundliche Arbeitgeber. Die Plattform beschäftigt heute sechs Mitarbeiterinnen; die Jobangebote werden monatlich von rund einer Million Userinnen angeklickt. Westermann achtet darauf, dass die Unternehmen gute Bedingungen für weibliche Beschäftigte bieten. So ist sie doch noch dauerhaft Chefin geworden – mit eigener Firma.
Sofort bessere Chancen
Was jede Frau tun kann, um ihren Aufstieg professionell vorzubereiten – Tipps von der Bertelsmann-Stiftung.
- Ziele stecken: Was soll in welcher Position erreicht werden?
- Mentoren suchen: Welche Kollegen oder Vorgesetzten freuen sich, Sie zu unterstützen?
- Sichtbarkeit erhöhen: Profil schärfen, etwa bei Veranstaltungen als Referentin auftreten und in sozialen Medien präsent sein.
- Angebote nutzen: Bietet Ihr Unternehmen Führungstrainings an? Sonst extern suchen und die Firma die Kosten tragen lassen.
- Selbst zum Förderer werden: Netzwerke leben von Gegenseitigkeit. Bieten Sie anderen, vor allem Frauen, Ihre Hilfe an!
- Selbstbewusst verhandeln: Gehaltsgespräche gut vorbereiten.
- Sich verzeihen: keine Selbstzweifel, wenn mal etwas schiefgeht. Es gilt das Prinzip „Hinfallen, aufstehen, weitermachen“.
„Lernen, ohne Dank auszukommen“
Interview mit Katrin Winkler, Professorin an der Hochschule Kempten und Leiterin der Kempten Business School.

Mein Lübecker: Was sind für Frauen auf dem Weg nach oben die größten Fallen?
Katrin Winkler: Viele Frauen trauen sich zu wenig zu und haben gleichzeitig den Anspruch, einen Job perfekt auszufüllen. Deshalb bewerben sie sich gar nicht erst, während Männer wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sie das, was sie nicht können, lernen werden. Eine weitere Falle ist, gesehen werden zu wollen, aber zu bescheiden zu sein, um auf sich aufmerksam zu machen.
ML: Der Begriff „gläserne Decke“ für Aufstiegsbarrieren ist bekannt. Jetzt ist auch von einer „gläsernen Klippe“ die Rede. Was ist das?
Winkler: Frauen werden signifikant häufiger in Krisenzeiten in einen Führungsjob gehoben. Das Risiko, als Chefin zu scheitern, ist also besonders groß. Das wird aber selten gewürdigt, im Gegenteil: Schwierigkeiten werden schnell als persönliches Versagen angekreidet. Läuft es hingegen gut, so heißt es: Sie hat eben Haare auf den Zähnen!
ML: Karriere machen bedeutet, viele Hürden zu überwinden. Wie motiviere ich mich?
Winkler: Frauen in Führungspositionen müssen auf Gegenwind gefasst sein, vor allem, wenn sie jung sind. Übrigens ist nicht jede Frau, der man auf dem Weg nach oben begegnet, automatisch eine Freundin. Wichtig ist, Motivation nicht aus der Anerkennung von anderen zu beziehen, sondern aus der Aufgabe heraus, indem man sich bewusst macht, was man durch seine Arbeit bewirken kann und welche Erfolge sich mit ihr verbinden.
ML: Ihr Top-Tipp für die berufliche Karriere?
Winkler: In sich selbst investieren, durch Weiterbildung und Coaching, und lernen, ohne Dank auszukommen. Bleibt Lob von Vorgesetzten aus, heißt das nicht, dass die Leistung unzureichend war.
Fotos: Adobe Stock, Sandra Stein Fotografie