In der schleswig-holsteinischen Gemeinde Warder, rund 20 von Kiel entfernt, erstrecken sich 40 Hektar ursprünglich wirkendes Gelände, auf dem Skudden, Bulgarische Schraubenhörnige Langhaarziegen, Rotkopfschafe oder Bunte Bentheimer Schweine zuhause sind. Seit 20 Jahren setzt sich die Arche Warder für den Erhalt alter Nutztierrassen ein. Wie die Arbeit des Haus- und Nutztierparks aussieht und wie man diese unter anderem mit Tierpatenschaften unterstützen können, erklärt Tierpark-Pädagogin Stefanie Klingel im Interview mit Mein Lübecker.
Interview: Sarah Lohmann
Mein Lübecker: Sie setzen sich dafür ein, die Artenvielfalt von Haus- und Nutztieren zu erhalten. Wieso?
Stefanie Klingel: Viele Menschen kennen die Tierrassen, die bei uns auf dem Hof leben, schon heute nicht mehr und das ist unglaublich schade. Schließlich ist Diversität das Erbe unserer Vorfahren und dieser unersetzbare, kulturelle Schatz muss für zukünftige Generationen erhalten werden. Die Vielfalt der Tierrassen hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kontinuierlich abgenommen. Mit dem Ergebnis, dass die Bandbreite der verschiedenen Nutztiere stark eingeschränkt ist – der Fokus liegt heute auf Hochleistungstieren. Allerdings weiß niemand, wie sich die Zukunft der Landwirtschaft gestalten wird – schließlich benötigen hochleistende Nutztiere auch enorm leistungsstarkes Futter. Schön wäre, wenn irgendwann auch die alten Rassen, die in der heutigen Welt als nicht mehr wirtschaftlich angesehen werden, ihren Weg zurück auf die Bauernhöfe finden.
Ein tolles Konzept! Wie genau sieht denn die Arbeit der Arche Warder aus?
Schafe, Schweine, Pferde, Ziegen, Esel, Hühner und Rinder – bei uns leben mehr als 1200 Tiere aus 92 verschiedenen Rassen, darunter manche, die vom Aussterben bedroht sind. Aus dem Viehbestand der Landwirte sind diese Rassen größtenteils längst verschwunden. Wir kämpfen auf unterschiedlichen Ebenen um ihren Erhalt. Einerseits natürlich durch Zucht – so vergrößern wir die Bestände der wertvollen Tiere. Andererseits beispielsweise durch Bildung in Form von Tierpädagogik. Der Park ist ganzjährig geöffnet, er kann von Schulklassen und Kindergartengruppen besucht werden. Die Kleinen lernen im Rahmen ihres Aufenthalts die Tiere kennen und erfahren, welche Rolle sie für die kulturelle Entwicklungsgeschichte des Menschen spielten. Außerdem leisten wir Aufklärungsarbeit, denn jeder kann am Erhalt der Tierarten mitwirken – nicht nur durch finanzielle Unterstützung. Wir sind zudem eng vernetzt mit Naturschutzstiftungen, Zoos, Tierparks, Züchtern und anderen Archehöfen sowie mit Forschungseinrichtungen.
Sie sagten, man könne selbst am Erhalt der Artenvielfalt mitwirken. Wie geht das?
Indem jeder beispielsweise sein eigenes Konsumverhalten reflektiert. Beim Kauf von tierischen Lebensmitteln wäre es schön, wenn stärker darauf geachtet wird, wo das Produkt herkommt. Gibt es vielleicht einen Bauern in der Nähe? Finden Sie die Arbeitsweise des jeweiligen Hofs gut? Würden Sie diesen Bauern gerne unterstützen? Dann besteht die Möglichkeit, direkt beim Erzeuger einzukaufen. Die Rassen sind ja deshalb so selten geworden, weil sie nicht mehr wirtschaftlich sind. Wenn jeder ein klein wenig an seinem Einkaufsverhalten drehen würde, wäre es vielleicht irgendwann möglich, dass Landwirte wieder direkter mit den Konsumenten in Kontakt treten und ihre Produkte besser vermarkten können, sodass auch die alten Nutztierrassen wieder ihren Platz auf den Höfen finden. Um die Nachfrage zu fördern, verkaufen wir einen Teil des Nachwuchses an Landwirte sowie Fleisch und andere Produkte aus eigener Produktion im Hofladen.
Und können Interessierte die Arbeit auf dem Hof ganz unmittelbar fördern?
Um den Hof direkt zu unterstützen, sind Tierpatenschaften und Spenden möglich. Das ist für uns extrem wichtig, weil wir keine öffentliche Förderung erhalten. Eine Tierpatenschaft für unsere Hühner gibt es schon ab drei Euro pro Monat, für Ziegen und Schafe geht es ab fünf Euro los, für Großtiere wie Pferde und Rinder ab sechs Euro. Das ist der jeweilige Mindestbetrag, der natürlich beliebig aufgestockt werden kann. Im letzten Jahr hatten unsere Tiere glücklicherweise 6000 Paten, sie erhielten von 5000 Menschen Spenden und wir zählten 655 Fördermitglieder.
Wie wird das Geld verwendet?
Die Gelder fließen in die Pflege der Tiere, in Medizin, Mitarbeiter, Futter. Es werden davon die Kosten für Operationen bezahlt, natürlich kaufen wir auch weitere Tiere und im Tierparkgelände selbst fördern wir die wilde Natur. Unter anderem füttern wir die Vögel und haben zahlreiche Blühwiesen für Insekten angelegt. Darüber hinaus investieren wir in eine artgerechte Haltung und wir haben ein eigenes Handwerkerteam, das sich beispielsweise um den Bau von Ställen kümmert. All das wäre ohne die tolle Unterstützung vieler Menschen nicht möglich. Das Geld kommt dementsprechend allen Tiere zugute, denn sonst gäbe es wahrscheinlich sehr reiche und sehr arme Tiere – wir versorgen selbstverständlich alle gleich gut. Wer also noch ein Last-Minute-Weihnachtsgeschenk sucht und etwas mit Sinn schenken möchte – eine Patenschaft ist eine wunderbare Option!
Und welchen Bezug haben die Paten zu ihren Tieren?
Wir überreichen jedem eine schöne Urkunde mit Bild, auf der dann beispielsweise steht, dass man Pate der Ungarischen Lockengans geworden ist. Außerdem bekommen die Paten regelmäßig Post und werden über die Neuheiten und Aktivitäten der Arche Warder informiert. Und das Patentier freut sich selbstverständlich auch über Besuche. Viele unserer Tiere sind sehr zutraulich und lassen sich sogar streicheln.
Was sieht der Pate, wenn er sein Tier im Gelände besucht?
Lebensfrohe, seltene Tier in einer absolut artgerechten Umgebung mit Bäumen, Hügeln, Feuchtflächen und großen Wiesen. Wir achten sehr darauf, dass sich unsere Tiere wohlfühlen und genauso leben können, wie es zu ihnen passt. Das heißt, im Schweineland gibt es Möglichkeiten zum Wühlen in der Erde und die Tiere können sich in Hütten unter Erdhügeln zurückziehen, um dort beispielsweise im Winter zusammengekuschelt zu liegen. Und Schweine brauchen Beschäftigungsmaterial – also Wurzeln oder Baumstümpfe zum Schubbern. Im Sommer wird sich dann bei und sich ausgiebig gesuhlt – die Schweinchen lieben es bei Hitze, im Wasser oder im Schlamm zu baden und sich abzukühlen. Der Schlamm wirkt wie eine Sonnencreme und schützt sie gegen Sonnenbrand. Für unsere Hühner haben wir die Möglichkeit geschaffen, im Sand zu baden und sie können auf erhöhten Sitzstangen schlafen – das machen sie nämlich nicht so gerne auf dem Boden. Außerdem gibt es Büsche und Sträucher, in denen sie sich gerne verstecken – gerade dann, wenn sie Nachwuchs haben. Pferde und Esel leben bei uns in weitläufigen Freigehegen, sodass sie genügend Bewegung bekommen. Langweilig wird den Tieren bei uns also sicher nicht.
Kontakt
Arche Warder – Zentrum für alte Haus- und Nutztierrassen e.V., Langwedeler Weg 11, 24646 Warder. Telefon: 04329 91340, E-Mail: info@arche-warder.de, Internet: www.arche-warder.de. S-Cashback-Kunden erhalten 2 Prozent Cashback auf alle Umsätze bei Zahlung mit einer Sparkassen-Karte (Debit- und Kreditkarte).
Titelfoto: Arche Wader/Sabine Vielmo