Neue Gen- und Zelltherapien versprechen hohe Heilungschancen bei schweren Krankheiten. Das macht den Markt der Biotechnologie auch für Anleger interessant.
Text: Thomas Luther
Eine Studie der Universitätsklinik Barcelona sorgt aktuell für Aufsehen in der Medizin. Die Ärzte in der spanischen Metropole forschen seit Jahren an der Behandlung von Krebs. Mithilfe moderner Biotechnologie haben sie nun eine Immuntherapie entwickelt, die bei drei Krebsarten bahnbrechende Erfolge erzielt hat. Bei mehr als der Hälfte der über 500 behandelten Patienten ist der Krebs verdrängt worden. Besonders beeindruckend sind die Ergebnisse bei lymphatischer Leukämie, wo 90 Prozent der Teilnehmer auf die Therapie ansprachen. Beim Multiplen Myelom (Knochenmarkkrebs) lag die Erfolgsquote bei 60 Prozent und beim Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) bei 50 Prozent.
Bestätigen sich die Erfolge in weiteren Studien, wäre die neue Therapie mehr als nur ein Hoffnungsschimmer. Sie könnte ein Durchbruch im Kampf gegen die Todesursache Nummer eins in vielen Ländern sein. Allein in Deutschland erhalten jedes Jahr rund 500.000 Menschen die Diagnose Krebs. Wissenschaftler und Mediziner arbeiten derzeit rund um den Globus mit künstlicher Intelligenz, Robotik und Big Data an neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden. Das größte Potenzial versprechen sie sich von gen- und zellbasierten Verfahren aus dem Biotech-Labor. „Diese neuen Technologien werden das gesamte Gesundheitswesen exponentiell voranbringen“, prognostiziert David Matusiewicz, Professor für Medizinmanagement an der FOM-Hochschule in Essen.
Neue Gen- und Zelltherapien zielen darauf ab, durch Eingriffe in die kleinsten biologischen Strukturen des Körpers bösartige Veränderungsprozesse aufzuhalten oder nicht entstehen zu lassen. Ein Ansatzpunkt: die körpereigenen Gene. Ihre DNA enthält den Bauplan jedes Menschen. Bei der Gentherapie wird beschädigte DNA im Labor so verändert, dass das Gen wieder wie ursprünglich funktioniert. Der Zellbaustein wird dann mit Nanopartikeln wieder in den Körper eingeschleust und dort von Zelle zu Zelle weitergegeben.
Kampf gegen Corona
Das wohl bekannteste Beispiel in der Biotechnologie ist der Erfolg von Biontech und Moderna bei der Entwicklung des Coronaimpfstoffs. Er verschaffte den Firmen den Durchbruch und das Kapital für weitere Forschungen. Seitdem ist es aber etwas ruhiger um die Vorzeigeunternehmen geworden. Das ist typisch für die Branche.
Im Fall der Krebsforschung in Barcelona hat das Ärzteteam auf die CAR-T-Zelltherapie gesetzt. Dabei werden dem Patienten Immunzellen entnommen und im Labor mit einem sogenannten Antigenrezeptor versehen. Damit erkennen die Immunzellen Tumoren und docken an ihnen an. Die Zellen vermehren sich und bekämpfen die Karzinome an Ort und Stelle.
Das potenzielle Anwendungsspektrum der Technologie ist breit. Neben Krebs bestehen bei Krankheiten wie Multipler Sklerose oder Mukoviszidose bessere Heilungschancen. Auch bestimmte Demenzformen sind auf genetische Veränderungen zurückzuführen.

Die Experten der Unternehmensberatung Roland Berger kamen in einer Studie zu dem Schluss, dass Therapien aus dem Biolabor einen radikalen Wandel in der Pharmabranche einläuten werden. „Zell- und Gentherapien haben nicht nur ein enormes Potenzial, Leben zu retten, sondern auch ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial“, hebt Thilo Kaltenbach, Studienautor und Senior Partner bei Roland Berger, hervor. Ihm zufolge wird der Markt für diese Therapien rapide wachsen und bis 2026 voraussichtlich einen Umsatz von 27,9 Milliarden Euro erreichen.
Auch für Anleger bietet das Thema Biotech neben Pharma und Medizintechnik interessante Aussichten. „Getrieben durch Innovationen und den demografischen Wandel wird Gesundheit insgesamt zu einem strukturell stabilen Wachstumsmarkt mit verlässlichen Ertragsperspektiven“, sagt Florian Pfeilschifter, Pharmaexperte und Fondsmanager bei der Deka.
Hohe Kursschwankungen möglich
Die Anlage in einzelnen Biotech-Aktien ist jedoch relativ risikoreich. Bei einzelnen Forschungsprojekten kann es Rückschläge geben. Zudem ist es bis zur Marktreife neuer Gen- und Zelltherapien oft ein weiter Weg. Häufig kommt es daher zu einer Arbeitsteilung: Kleine, innovative Biotech-Firmen konzentrieren sich auf die Erforschung neuartiger Verfahren.
Die großen, kapitalstarken Pharmakonzerne kaufen diese Therapiekonzepte an und entwickeln sie in klinischen Studien zur Marktreife. Doch die Gefahr von Rückschlägen ist hoch. Erfahrungsgemäß schaffen nur 60 bis 70 Prozent der neu entwickelten Präparate den Sprung von der entscheidenden Studienphase 3 zur Marktzulassung durch die Behörden.

Die Kursschwankungen von entsprechenden Aktien sind daher hoch. Im Fall von Biontech vervierfachten die Aktien ihren Wert nach der Entwicklung des Coronaimpfstoffs und stiegen auf 323 Euro, stürzten dann auf knapp 70 Euro ab und erholten sich auf 125 Euro. Aktuell (Juni 2025) pendelten sie um 95 Euro.
Aktienfonds und ETFs, die Geld auf verschiedene Branchentitel streuen, verringern das Risiko der Kursausschläge. Doch selbst in diesem Fall ist Biotechnologie nur als Beimischung zu einem breit gestreuten Depot sinnvoll.
Titelfoto: Biontech